© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Beispielloser Kniefall der Südtiroler Volkspartei
Italien: Premier Renzis Plan einer Verfassungsreform erhitzt die Gemüter / Süd-Tiroler Freiheit warnt vor Autonomieverlust
Michael Link

Heftige Proteste begleiteten am vergangenen Wochenende das Treffen der Demokratischen Partei Italiens mit Premier Matteo Renzi in Florenz, der für eine geplante Verfassungsreform die Werbetrommel rührte. Hintergrund der Krawalle ist ein für den 4. Dezember geplantes Referendum über eine Verfassungsänderung zugunsten einer Zentralisierung des Landes.

Geht es nach Renzi, soll die Gleichberechtigung der Parlamentskammern aufgegeben werden, stattdessen sollen nur noch der Abgeordnetenkammer Gesetzesentwürfe vorgelegt werden. Der Senat soll zu einer Kammer der Regionen und Gemeinden umgewandelt und die Provinzen, bis auf jene innerhalb der Regionen mit Sonderstatus, sollen abgeschafft werden. Mit der Wiedereinführung des „nationalen Interesses“ soll Rom auch in der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol ein Durchgriffsrecht bekommen.

Der Wind aus Rom bläst so rauh wie lange nicht mehr 

Die Bewegung Süd-Tiroler Freiheit befürchtet einen großen Verlust der Autonomie Südtirols. Diese sieht in der geplanten Verfassung den Gegensatz zu jener föderalistischen aus dem Jahr 2001, als der Gestaltungsspielraum der Regionen erheblich ausgeweitet wurde.

Klare Worte zu der geplanten Reform fand Altsenator Oskar Peterlini. „Die von Renzi gewollte und nun von der Abgeordnetenkammer genehmigte Verfassungsreform wirft Italien über 60 Jahre zurück, zentralisiert den Staat und wird damit auch für Südtirols Autonomie und die Minderheiten gefährlich“, warnte Peterlini gegenüber der Tageszeitung Dolomiten.

„Gegenwärtig befinden wir uns in einer Phase, in der wir Süd-Tiroler erneut um unsere Rechte kämpfen müssen! Denn der Wind aus Rom bläst so rauh wie schon lange nicht mehr“, heißt es in einer neuen Broschüre, die einen wichtigen Teil der aktuellen Aufklärungskampagne der Süd-Tiroler Freiheit über die möglichen Gefahren einer Verfassungsänderung darstellt. „Wir wollen unsere Autonomie verteidigen, denn verlieren wir unsere Autonomie, verlieren wir unsere Rechte und unsere Identität als Tiroler Volksgruppe und damit auch unser Recht auf Selbstbestimmung!“

Die Süd-Tiroler Freiheit beklagt auch die Haltung der Südtiroler Volkspartei (SVP), die der zentralistischen Verfassungsreform zustimmt. Diese sei ein „beispielloser Kniefall vor Rom“ in der jüngeren Geschichte. „Die SVP empfiehlt, Südtirol Kompetenzen zu nehmen, unser Land in ein zentralistisches Umfeld zu werfen und Rom mit dem ‘nationalen Interesse’ ein politisches Durchgriffsrecht zu geben.“ Damit würden die Interessen Roms vor jene Südtirols gestellt.

Kern der Zustimmung zu der Reform durch die SVP ist die sogenannte „Schutzklausel“, aufgrund derer in Südtirol der Titel V der alten Verfassung bis zur Überarbeitung des Autonomiestatuts in Kraft bleiben soll. Nach Ansicht der Süd-Tiroler Freiheit könne die Schutzklausel allerdings, wenn überhaupt, nur vorübergehend schützen.