© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Grüße aus Madrid
Typisch machomäßig
Michael Ludwig

Mein Freund Carlos und ich gehen jeden Mittwochmittag ein „menu del dia“ essen. Er ist von Beruf Rechtsanwalt, aber seine heimliche Leidenschaft gehört dem Gesang. Er ist Mitglied in einem Chor, seine Stimmlage ist Tenor. „Wir singen spanische Volkslieder, aber auch Gospelsongs. Jetzt, wo die Weihnachtszeit naht, haben wir wieder viele Auftritte, der Erlös geht an gemeinnützige Zwecke“, sagt Carlos.

Ich frage ihn, ob er auch in der Badewanne singe. Natürlich, antwortet er, aber noch öfter singe er im Auto, wenn er morgens von einer nördlich von Madrid gelegenen Vorstadt zu seinem Arbeitsplatz fahre und abends wieder nach Hause. Neulich habe er in der Tageszeitung El Mundo gelesen, daß Spanier ausgesprochen gern im Auto singen – sie kommen auf durchschnittlich 4.125 Lieder, und in 3.169 Fällen singen sie derart laut, daß man sie auf der Straße hört.

Carlos weist stolz darauf hin: „Wir Spanier sind ausgesprochen höfliche Autofahrer.“

Carlos hat den Zeitungsartikel   genauestens studiert. Es handelt sich um eine Studie mit dem Titel „Unser Leben im Auto“ und wurde vom französischen Automobilbauer Citroën in Auftrag gegeben. „Weißt du“, sagt Carlos, „wir Spanier sind ausgesprochen höfliche Autofahrer, wir bedanken uns über 3.000mal bei anderen Autofahrern oder Fußgängern. Wie sieht es denn bei euch Deutschen aus?“

Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung“, antworte ich, denke mir aber, daß spanische Autofahrer nicht generell so höflich sind, wie Carlos mir weismachen will – nur zu oft habe ich die Unsitte erlebt, bis mitten in den Zebrastreifen zu fahren und erst dann zu stoppen, ein typisch machomäßiges Verhalten. 

Was das Liebesleben der Spanier im Kraftfahrzeug betrifft, meldet uns El Mundo, daß der iberische Autofahrer 1.798mal im Auto küßt, viermal kommt es zum Liebesspiel. Da sind die Italiener sehr viel rühriger, sie machen es dreimal öfter und sind damit europäische Weltmeister. 

Sehr beliebt sind Selbstgespräche im Auto. „Wenn man einen Landsmann sieht, der im Auto nur die Lippen bewegt, ist es am wahrscheinlichsten, daß er mit sich selber spricht“, schreibt die Madrider Tageszeitung. 1.444mal ist das im Leben eines Spaniers der Fall. Drei Jahre und elf Monate verbringt ein Spanier auf seinen rollenden vier Rädern, zwei Monate weniger als der europäische Durchschnitt. Was er gar nicht mag, ist im Auto zu essen – das macht er nur 1.094mal, die Franzosen hingegen dreimal so oft.