© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Von beiden Kampagnen angewidert
US-Präsidentschaftswahl: Donald Trump siegt / Mit einem derart Kopf-an-Kopf-Rennen hatte kaum jemand gerechnet
Thorsten Brückner

Traditionell beginnt der Wahltag in New Hampshire. Dort haben Gemeinden unter 100 Einwohner das Recht, einen Antrag zu stellen, ihre Stimme bereits um Mitternacht abgeben zu dürfen. Nachdem die Stimmen aus Dixville Notch, Hart’s Location und Mills Field ausgezählt waren, konnte sich Trump zumindest für die nächsten 19 Stunden erstmal als Führender fühlen: 32:25, so das Ergebnis der drei kleinen Weiler aus dem „Live free or die“-Staat.

Früh zeigte sich am Wahlabend, daß der Zweikampf spannender werden würde als von vielen Experten vorhergesagt. Trump und Clinton lieferten sich nicht nur das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen in Florida und North Carolina – Staaten, die Trump am Ende beide gewann. 

Selbst Virginia und Pennsylvania waren umkämpft. Virginia ist ein Staat, dessen Norden in den vergangenen zwei Jahrzehnten zusehends Zuwanderung von Pendlern aus dem Hauptstadtdistrikt erfahren hat und 2008 und 2012 an Obama ging. Clinton führte dort in Umfragen teilweise zweistellig. Pennsylvania wählte seit 1988 nicht mehr für einen republikanischen Präsidenten. Nicht die einzigen Staaten, in dem die Demoskopen danebenlagen. 

Millionen Jobs sind ins Ausland verlagert worden

Der Nordwesten, war umkämpft bis zum Schluß. Seit Reagans Erdrutschsieg 1984 konnte kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr Wisconsin gewinnen. Trump schaffte es. Riesenjubel brannte auf Trumps Wahlparty in New York auf, als Fox News als erster Sender den Staat als gewonnen meldete. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten sich die Kandidaten bis zum Schluß auch in Michigan – ein Staat, den zuletzt George Bush senior 1988 gewinnen konnte und in dem vor allem viele arbeitslos gewordene ehemalige Arbeiter in der Autoindustrie leben, die Trump gewinnen konnte. 

In Ohio, dem traditionellen swing state, der bei den vergangenen 13 Wahlen den Ausgang der Präsidentschaftswahl vorweggenommen hat, war es noch nicht mal knapp. Trump gewann mit deutlichem Vorsprung. „Eine Revolution im Wählerverhalten“, faßte Fox News-Analyst Charles Krauthammer Trumps starkes Abschneiden zusammen. „Die Menschen haben die Establishment-Politiker satt“, so das Fazit von Moderator Chris Wallace. Bei Redaktionsschluß fehlte Trump noch ein einziger Staat, um den Sieg perfekt zu machen. Er strafte all jene Experten lügen, die ihn als Kandidaten zeichneten, der seinen Wahlkampf vor allem mit nächtlichen Schimpftiraden auf Twitter führte, während Clinton das bessere „ground game“ besitze.

 Die Demoskopen haben die Frustration jener „blue collar“- Wähler, der Reagan-Demokraten unterschätzt. Noch kurz vor der Wahl sahen Umfragen von  CNN und Fox News Clinton übereinstimmenden mit vier Prozentpunkten vorn. Ein Vorsprung außerhalb der statistischen Fehlerwahrscheinlichkeit. 

 Millionen Jobs sind in den vergangenen Jahrzehnten nach Lateinamerika und Asien abgewandert. Trumps Versprechen, diese Jobs zurückzuholen und illegale Einwanderung zu verhindern (eine Mauer an der mexikanischen Grenze zu bauen), hat ganz offensichtlich viele Nichtwähler und ehemalige Demokraten-Wähler überzeugt. Clintons abfällige Bemerkungen über diese Klientel, die sie einen „Korb von Beklagenswerten“ nannte, haben sicher nicht geholfen, ihr den Abend einfacher zu machen. 

Amerika ist gespalten. Nicht so sehr zwischen Nord und Süd, Ost oder West. Die Spaltung vollzieht sich innerhalb der Staaten zwischen den ländlichen und suburbanen Regionen auf der einen und den Städten auf der andern. Diese Spaltung hat sich durch Trump noch verschärft.

Der enge Wahlabend ist auch deswegen so überraschend, weil im Vorfeld der Anteil an Latinos, die ihre Stimme im „early voting“ abgegeben haben, Rekordwerte erreicht hat. Es war erwartet worden, daß Clinton diese Tatsache gerade im umkämpften Schlachtfeldstaat Florida erheblich helfen wird. Aber auch die Latinos in Florida waren sich uneins. Während kubanischstämmige Latinos Trump favorisierten (53:41 Prozent), unterstützten alle andern Latinos deutlich Hillary Clinton (25:70 Prozent).

Trump schaffte unter den Schwarzen einen deutlich höheren Anteil für sich zu gewinnen als Romney 2012. Dies half ihm zum unerwartet guten Abschneiden in Virginia und zu seinen Siegen in North Carolina und Florida. Der Anteil der Weißen am Elektorat ist auch bei dieser Wahl zurückgegangen. Erstmals waren bei einer Präsidentschaftswahl weniger als 70 Prozent der Wahlberechtigten weiße Amerikaner. 

Dennoch konnte Trump es offensichtlich vor allem die weiße Unter- und Mittelschicht in einem Ausmaß zur Stimmabgabe motivieren, wie es dem als elitär empfundenen Mitt Romney nicht gelingen konnte. Auch war der so genannte „gender gap“, also der Nachteil Trumps bei weiblichen Wählern nicht so groß wie befürchtet. Während Clinton, kurz vor Bekanntwerden der erneuten FBI-Ermittlungen gegen sie bereits an ihrem künftigen Kabinett feilte und hoffte, selbst republikanische Staaten wie Georgia und Arizona zu gewinnen, offenbarte sich diese Strategie als Selbstüberschätzung.

Amerikaner erleichtert über Wahlende

Das Repräsentantenhaus wird für die nächsten zwei Jahre weiterhin in republikanischer Hand bleiben. Wer künftig den Senat kontrollieren wird, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Da die Republikaner aber wichtige Senatsrennen in Indiana, Wisconsin, Florida und North Carolina für sich entschieden, stehen die Chancen der Partei gut, auch künftig eine Mehrheit in der wichtigeren der beiden Kammern zu haben. Die Kontrolle über Richterernennungen für den Obersten Gerichtshof liegt weiterhin bei der „Grand Old Party“.

Interessant ist die Ankündigung von Senator Joe Manchin, ein Demokrat aus West Virginia, er werde nach der Wahl womöglich seine Parteimitgliedschaft wechseln und Republikaner werden. Bei einem Gleichstand von 50 zu 50 im Senat hat der Vizepräsident, der gleichzeitig Präsident des Senats ist, die entscheidende Stimme.

Egal, ob sie Demokraten oder Republikaner gewählt haben. In einem Punkt können sich die Amerikaner einig werden. Nämlich in der Erleichterung darüber, daß diese Wahl nun endlich vorbei ist. 82 Prozent gaben in einer Umfrage kurz vor der Wahl an, daß sie von beiden Kampagnen angewidert seien.