© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Das teure Ende kommt zum Schluß
Krankenversicherung: Viele Privatversicherte müssen im neuen Jahr zweistellig erhöhte Beiträge verkraften / Politik plündert die Gesundheitsfondsreserven
Peter Offermann

Neues Jahr, neues Glück? Diese Aussage dürfte für viele Kunden der Privaten Krankenversicherungen (PKV) wie Hohn klingen. Denn von Glück kann ob der regelmäßig eintrudelnden Schreiben mit teilweise exorbitanten „Beitragsanpassungen“ keine Rede sein. Diesmal schlägt Branchenriese Axa zu. Zum 1. Januar 2017 dürfen die PKV-Versicherten beim Kölner Konzern mit Beitragserhöhungen von bis zu 42 Prozent rechnen.

Wer 50 im Tarif „Vital900“ mit 900 Euro Selbstbeteiligung steckt, den trifft es so hart. Begründung hierfür sind unter anderem die Absenkung des Rechnungszinses für die Kapitaldeckung, die steigenden Ausgaben durch Inflation und die Kostensteigerung durch den medizinischen Fortschritt. Paradox hierbei ist, daß dies nur die alten Bisex-Tarife betrifft. Die neuen, seit 2013 geltenden, Unisex-Tarife bleiben vorerst verschont. Die genannten Gründe dürften eigentlich auch die neue Tarifwelt betreffen, doch die Versicherer setzen nicht auf den Altbestand, sondern auf Neukunden.

Eine Option der Beitragsersparnis ist das mit dem Beitragssprung einhergehende Sonderkündigungsrecht. Der Kunde kann innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Erhöhungsschreibens seinen Versicherer wechseln. Doch Vorsicht, wer nicht jung und kerngesund ist oder unter Vorerkrankungen leidet, dem bleibt diese Möglichkeit oft verwehrt.

Eine Alternative bietet der Paragraph 204 des Versicherungsvertragsgesetzes, der das Recht gewährt, innerhalb der Versicherung in einen vergleichbaren und oftmals günstigeren Tarif zu wechseln. Diese Möglichkeit resultiert daraus, daß die Assekuranzen junge Gutverdiener mit leistungsstarken Tarifen ködern. Doch Obacht: Vergleichbar heißt nicht identisch, so daß beim Wechsel der Verlust von Leistungsmerkmalen droht. Und auch hier ist keine Garantie gegeben, daß man sich in einigen Jahren nicht auf der Beitragshöhe des Alttarifs befindet.

Tötet die Niedrigzinspolitik die Privatversicherung?

Aber nicht nur die Axa erhöht die Beiträge. Für den größten Teil der rund sechs Millionen privat Versicherten wird es ab kommendem Jahr teurer. Egal ob man nun bei Debeka, Allianz, Axa, Hanse Merkur oder Nürnberger versichert ist. Die EZB-Niedrigzinspolitik ist hier ein ganz besonderes Übel und faktisch der Totengräber der deutschen PKV. Aber was sind die Lösungen? Die Vorteile der PKV klingen gut: Bessere und schnellere Versorgung durch Spezialisten, höhere Leistungen, alternative Behandlungsmethoden und während der Erwerbsphase oft ein günstigerer Beitrag. Die Nachteile überwiegen aber für viele: Die im Vergleich zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bessere Leistung zeigt sich nur in den Top-Tarifen.

Einsteigertarife locken zwar mit billigen Beiträgen, geringer Selbstbeteiligung und Zweibettzimmer – sind aber im ambulanten Bereich häufig schlechter als die GKV. Und im Rentenalter wird es häufig in der Regel viel teurer als bei AOK, Barmer & Co. Der günstigere PKV-Beitrag ist ebenfalls ein zweischneidiges Schwert: Wer Familie oder kein Topeinkommen hat, zahlt meistens deutlich mehr als bei der GKV. Und die gesetzlichen Kassen greifen – in Zusammenarbeit mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) – in die Trickkiste, um der PKV den politischen Todesstoß zu versetzen. Die GKV-Beitragssätze bleiben – trotz steigender Ausgaben und Zuwanderung – konstant: durch 1,5 Milliarden Euro aus den Gesundheitsfondsreserven.

Aber auch bei der gehen Gesundheitsökonomen – nach der Bundestagswahl – von einer Anhebung des allein vom GKV-Versicherten zu zahlenden Zusatzbeitrages um 1,3 Prozentpunkte bis 2020 aus. Reformen sind daher in beiden Systemen unausweichlich. Und wenn bei Rentnern fast die komplette Altersvorsorge für den PKV-Beitrag draufgeht, läßt sich wirklich nicht mehr von „Ruhestand“ sprechen.