© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Mario Draghis neue Kontowelt
Gebühren: Weil die Banken weniger verdienen, müssen ihre Kunden nun blechen
Peter Böhm

Als die Deutsche Skatbank vor zwei Jahren 0,25prozentige Strafzinsen für Großkunden verlangte, wurde das als Skurrilität belächelt: Wer packt schon mehr als 500.000 Euro auf ein genossenschaftliches Tagesgeldkonto im thüringischen Altenburg? Auch als die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee im August ankündigte, für Kunden mit mehr als 100.000 Euro auf dem Konto ein „Verwahrentgelt“ von 0,4 Prozent zu erheben, konnte das als Nachricht aus der oberbayerischen Provinz abgetan werden. Und die Gebühren der Volksbank-Raiffeisenbank Niederschlesien lassen sich ganz einfach umgehen: einfach kein Geld auf dem Tagesgeld-Konto der Genossen aus Görlitz liegen lassen.

„Postbank Giro plus“ kostet nun 46,80 Euro jährlich

Doch seit diesem Monat hat die Eurokrise schlagartig in 5,3 Millionen Kunden neue Opfer gefunden: „Das Bankenumfeld hat sich geändert. Die Zinsen bei der Europäischen Zentralbank sind weiterhin auf einem Tiefstand“, erklärt die Postbank ihre „Neue Kontowelt“. Man müsse Gebühren dafür zahlen, daß die EZB Bankengelder verwahre. „Das sind Kosten, die vorher nicht angefallen sind. Zuvor konnten wir Gelder anlegen und haben Ertrag erwirtschaftet, so daß wir die Kosten für Girokonten selbst decken konnten. Das können wir heute nicht mehr. Daher mußten wir die Kontomodelle und die Preise anpassen.“

Und diese Anpassung wird teuer: Das Standardkonto „Postbank Giro plus“ kostet nun 46,80 Euro jährlich. Bisher war dieses Konto für jeden kostenlos, der monatlich über 1.000 Euro Geldeingang hatte. Für jede beleghafte Überweisung werden 0,99 Euro berechnet. Für die einfache Kreditkarte kommen 29 Euro hinzu. Für den Dispositionskredit werden 10,55 Prozent, für geduldete Kontoüberziehungen 14,95 Prozent Zinsen fällig. Das ist ein Dammbruch. Denn bei der einst staatlichen Postbank handelt es sich um die derzeit größte Privatkundenbank Deutschlands. Sie hat insgesamt 14 Millionen Kunden, darunter rund 5,3 Millionen bei den Girokonten. Mit ihrer Gebührenpolitik dürfte die Postbank viele Nachahmer finden.

Die ohnehin nicht billigen Sparkassen drehen schon längst an der Gebührenschraube – das scheint wohl eleganter, als offensichtliche Strafzinsen zu verlangen. Die Suche nach preiswerten Alternativen wird immer schwieriger. Zudem bieten die Banken immer weniger Service und fordern von den Kunden mehr Selbstarbeit. Rentner leiden darunter, daß das Filialnetz ausgedünnt und der persönliche Service eingeschränkt wird. Speziell Kleinverdiener werden stärker zur Kasse gebeten, denn die Postbank hat vorerst weiterhin ein gebührenfreies Angebot: Es heißt „Komfort-Konto Postbank Giro extra plus“, mit kostenloser Bargeldversorgung via Visa Card im Ausland und 8,68prozentigem Dispo. Der Haken: das gibt es nur bei einem monatlichen Geldeingang von 3.000 Euro, sonst sind 118,80 Euro jährlich fällig.

Daß manche Sparkassen und Genossenschaftsbanken trotz Mario Draghis EZB-Negativzinspolitik weiterhin hohe Spendenschecks bei Veranstaltungen von den Politikern, die ihre Anstellungsverträge auskungeln, zücken, sollte aber die Kunden nachdenklich machen. Und im Falle der Postbank kommt hinzu, daß sie seit 2015 hundertprozentig zur Deutschen Bank gehört – und die braucht für ihre milliardenschweren Strafzahlungen in den USA jeden Cent (JF 41/16).

Wenn es stimmt, daß das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank und der Postbank in einer gemeinsamen Holding gebündelt wird, dürfte die November-Aktion nicht die letzte Gebührenerhöhung gewesen sein. Daß die Frankfurter durch diese Konstruktion Zugriff auf die Einlagen der Postbank-Kunden bekämen, sollte deren Kunden hellhörig machen: In der EU sind im Falle eines Falles nur 100.000 Euro pro Sparer geschützt.

Verbraucherschützer raten den Kunden bei Gebührenerhöhungen zu drei Alternativen: Erstens beim eigenen Institut das beste Kontomodell suchen. Zweitens zu einer preiswerten Bank wechseln. Drittens ein Online-Konto einrichten. Wie ein Vergleich des Verbraucherportals Finanztip ergab, zahlt derjenige bei seiner Filialbank im Schnitt nur noch die Hälfte, der das richtige Kontomodell wählt. Bei der Postbank wäre das das Internetkonto „Giro direkt“ für 22,80 Euro – allerdings kostet dort jede Bargeldauszahlung am Schalter 1,50 Euro.

Wer Geld einzahlen will, bekommt Schwierigkeiten

Ein Bankwechsel ist aufwendiger, denn am Girokonto hängen nicht nur zahlreiche Zahlungsaufträge, sondern oft auch noch die Kreditkarte und ein Tagesgeldkonto. Viele Geldinstitute bieten inzwischen aber einen kostenlosen Umzugsservice an. Das größte Sparpotential ergibt sich jedoch, wenn die Kunden ein reines Online-Kontomodell wählen. Überweisungen per Telefon oder per Beleg sind dort aber Kostentreiber.

Wer darauf verzichten kann, ist bei der Deutschen Kreditbank (DKB/eine Tochter der Bayerischen Landesbank), der Consorsbank (eine Marke der französischen BNP Paribas), ING Diba (Tochter der niederländischen ING Groep), der spanischen Santander-Bank (kostenloses „123 Girokonto“), Netbank (im Besitz der LVM Versicherung ) oder dem Commerzbank-Ableger Comdirect gut aufgehoben.

Doch Vorsicht: Wenn man Geld einzahlen will, hat man bei diesen filiallosen Geldinstituten in der Regel schlechte Karten. Man muß Umwege über Filialbanken einschlagen, die Zeit und Geld kosten. Aber auch bei ihnen geht die Eurokrise nicht spurlos vorbei. Die DKB verlangt ab 1. Dezember einen monatlichen Geldeingang von mindestens 700 Euro, um in den Genuß eines 6,9prozentigen Dispos zu gelangen oder um weiterhin weltweit kostenlos zu bezahlen und Geld abheben zu können.

Foto: Postbank-Filiale in Berlin: „Die EZB-Zinsen sind auf einem Tiefstand. Zuvor konnten wir Gelder anlegen und haben Ertrag erwirtschaftet“