© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Im Dunkeln bereinigt
Paul Rosen

Mitternacht ist längst vorüber. Der Mond verbreitet unwirkliches Licht über dem ausgestorben wirkenden Parlamentsviertel. Der Reichstag liegt bis auf eine Notbeleuchtung im Dunkeln. Auch im benachbarten Paul-Löbe-Haus haben die Hausmeister längst den größten Teil der Beleuchtung ausgeschaltet. Nur in einem der kreisrunden Sitzungssäle geht es hoch her. Der Haushaltsausschuß tagt noch. Es ist – wie jedes Jahr – „Bereinigungssitzung“.

Das Verfahren hat sich zu einem Ritual entwickelt. Im Frühjahr gibt der Finanzminister den Mitarbeitern der Haushaltsabteilung seines Ministeriums den Startschuß zur Aufstellung des Haushaltsentwurfs. Der wird mit den anderen Ministerien abgestimmt. Im Frühsommer erfolgt der Kabinettsbeschluß, und der Finanzminister bringt den Haushaltsplan inklusive der mittelfristigen Finanzplanung in den Bundestag ein. Eine Woche wird dann über den Etatentwurf debattiert. 

Danach berät der von Gesine Lötzsch (Linkspartei) geleitete Haushaltsausschuß alle Einzelhaushalte der Ministerien, beginnend mit dem Einzelplan 01, dem Haushalt des Bundespräsidenten. Einzelplan 02 ist der Etat der Abgeordneten selbst, es folgen der Bundesrat (03) und das Kanzleramt (04), danach die Ministerien. Kurz vor Beginn der abschließenden Haushaltsberatungen im Plenum des Bundestages – die Änderungen an den Einzelplänen sind längst abgeschlossen – werden die Mitglieder des Haushaltsausschusses noch einmal aktiv. In der „Bereinigungssitzung“ nehmen sie letzte Korrekturen vor und merzen Fehler aus. Die Sitzung beginnt immer nachmittags und zieht sich wegen der Fülle der Änderungen bis in den frühen Morgen.

Im Dunkeln ist aber auch, der Volksmund weiß das schon lange, gut munkeln. Im Schutze der Nacht und unbemerkt von der Öffentlichkeit werden die Mitglieder des Haushaltsausschusses auch gerne in eigener Sache tätig. So wurden in der letzten Bereinigungssitzung für den ab dem 21. November vom Bundestag zu beratenden Etat die Geldleistungen für die Fraktionen kräftig erhöht. Die vier Bundestagsfraktionen bekommen in diesem Jahr zusammen 84,321 Millionen Euro. Der Betrag wurde in der Bereinigungssitzung um 3,776 Millionen Euro erhöht. Experten wie Hans Herbert von Arnim halten das für verdeckte Parteienfinanzierung, da das Geld in Wirklichkeit für die Parteiarbeit verwendet wird, aber in der vom Verfassungsgericht gedeckelten Gesamtsumme staatlicher Förderung nicht enthalten ist. Damit war der Griff in die Steuerkasse noch nicht zu Ende. Abgeordnete beschäftigen auch Mitarbeiter. Deren Gehälter zahlen sie nicht von den Diäten (9.327 Euro monatlich) oder der Kostenpauschale (4.305 Euro monatlich steuerfrei), sondern es gibt dafür einen eigenen Haushaltstitel (411 03) in Höhe von 203,803 Millionen Euro. Der Betrag steigt 2017 um 8,817 Millionen auf 212,620 Millionen Euro. 

Dieselben Politiker, die so gerne von Transparenz reden und das Bankgeheimnis, das den Bürger vor dem Staat schützen sollte, abgeschafft haben, praktizieren in eigener Sache Diskretion und Intransparenz.