© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Es gibt keinen Grund, sich zu verstecken
Militärischer Abschirmdienst: Umrankt von Geheimniskrämerei und Skandalen sucht das Amt die Öffentlichkeit und fordert zugleich mehr Kompetenzen
Christian Schreiber

Es war eine kleine, illustre Runde, die sich Anfang Mai in der Konrad-Adenauer-Kaserne in Köln versammelt hatte. 200 geladene Gäste, vor allem hochrangige Militärs, einige ausländische Gäste und Berliner Polit-Prominenz, feierten den 60. Geburtstag des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). 

Medien waren zu den Zeremonien nicht eingeladen, man wollte unter sich bleiben. Anderenfalls hätten ganz andere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen, teilte die Behörde anschließend mit. 

Der MAD ist der kleinste der drei deutschen Dienste. Aber im Vergleich mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist er auch der geheimste. Er ist für die Spionageabwehr im Bereich des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr zuständig. Gegründet wurde er 1956 als Amt für Sicherheit der Bundeswehr, seit 1984 heißt er MAD. Derzeit beschäftigt er rund 1.100 Mitarbeiter, die bis zum Jahr 2012 zum Stillschweigen verdonnert waren. Jede Äußerung nach außen mußte mit dem Verteidigungsministerium abgestimmt werden. 

MAD begrüßt neues Soldatengesetz

Seit 2015 unternimmt der MAD leichte Lockerungsübungen in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Da übernahm Christof Gramm die Leitung der Behörde. Zuvor war er im Verteidigungsministerium für MAD-Belange zuständig. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde er als Zeuge im Untersuchungsausschuß zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), wo er über die Rolle des MAD im Skandal um die rechtsextreme Terrorzelle aussagen mußte. 

Sein Vorgänger Ulrich Birkenheier hatte schon in den letzten Jahren seiner Amtszeit den Weg für eine behutsame Öffnung nach außen frei gemacht. Als erster MAD-Präsident gab er Interviews, sein Nachfolger ist in Sachen Öffentlichkeitsarbeit den nächsten Schritt gegangen. „Es gibt keinen Grund, daß wir uns verstecken. Die Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, was wir machen. Natürlich müssen wir die Vorgehensweise auch mit dem Aspekt der Vertraulichkeit abstimmen“, sagt Gramm. 

Die Aufgabenstellung hat sich seit seiner Gründung nicht geändert. Der MAD ist darum bemüht, „faule Äpfel“ aus der Truppe auszusortieren. Zu Zeiten der allgemeinen Wehrpflicht war dies teilweise sehr problematisch. In den Zeiten des Kalten Krieges gab es wiederholt Versuche der kommunistischen Unterwanderung, später versuchten auch Neonazis wie der 1991 an Aids verstorbene „Führer der Bewegung“ Michael Kühnen ihren Leuten eine Waffenausbildung in der Armee zu verschaffen. Kühnen, der es in der Truppe immerhin bis zum Leutnant schaffte, flog übrigens bereits im Jahr 1977 aus der Bundeswehr, nachdem dem MAD sein verfassungsfeindliches Treiben aufgefallen war.

 Die Wehrpflicht beförderte aber auch Antimilitaristen in die Bundeswehr, die gezielt versuchten zu manipulieren, wo es ging. Zucker in die Tanks zu füllen, um Bundeswehr-Transporte lahmzulegen, war ein beliebtes Spiel. 

Nach der Abschaffung der Wehrpflicht und der Einführung der Berufsarmee verringerte sich die Zahl der Soldaten, die Aufgabenstellung des Dienstes aber nicht. Bislang darf er keine Anwärter vor ihrer Einstellung auf extremistische Zusammenhänge überprüfen. Auch ein Auskunftsersuchen beim Verfassungsschutz erfolgt in aller Regel nicht. 

Sicherheitspolitiker von CDU und CSU fordern daher eine Gesetzesänderung. Mit einem kürzlich beschlossenen „Soldatengesetz“, das 2017 in Kraft treten soll, können Bundeswehranwärter künftig in den Datenbanken von Verfassungsschutz und Polizei abgefragt werden. Der MAD arbeitet, so erklärt es zumindest Behördenchef Gramm, „ziemlich erfolgreich“. So habe es im Jahr 2015 insgesamt 149 Verdachtsfälle von mutmaßlichen Rechtsextremisten in der Armee gegeben, heißt es. Im laufenden Jahr seien es mehr als 70 gewesen. In den meisten Fällen ging es dabei um Propagandadelikte wie rassistische Beleidigungen oder das Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen. In 19 Fällen mußten die betroffenen Personen die Bundeswehr verlassen, lediglich bei vier Personen konnte der MAD am Ende ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“ nachweisen.

 Wie die Behörde mitteilt, gehört es auch zu ihrer Aufgabe zu unterscheiden, ob es sich um „Ideologie oder um Provokation“ handelt. Doch nicht nur mutmaßliche Rechtsextremisten haben ein Auge auf den Dienst an der Waffe geworfen, vor allem gewaltbereite Islamisten versuchen in die Truppe einzusickern. Am vergangenen Wochenende wurde bekannt, daß der MAD mindestens 20 Islamisten in der Bundeswehr enttarnt hat  und 60 weitere Verdachtsfälle in der Prüfung seien. In islamistischen Kreisen werde der Dienst in der Bundeswehr befürwortet, um den Umgang mit Waffen zu lernen. Es bestehe die Besorgnis, „daß gewaltbereite Extremisten der Propaganda Folge leisten“, teilte die Behörde mit. „Es sind einzelne Anfragen von Bewerbern bekannt, die sich in auffälliger Weise für den Dienst in der Bundeswehr interessieren, einen Verpflichtungswunsch von nur wenigen Monaten äußern und sich ausdrücklich für eine intensive Waffen- und Geräteausbildung interessieren“, heißt es.

Besonders das Interesse an einer Waffenausbildung in Verbindung mit dem Wunsch nach einer möglichst kurzen Dienstzeit stuft der MAD als höchst auffällig ein. Präsident Gramm begrüßt daher auch die Einführung des neuen Gesetzes, welches seiner Behörde die Arbeit erleichtern soll. „Aktuell liegen Hinweise vor, daß islamistische Kreise versuchen, sogenannte ‘Kurzzeitdiener’ in die Bundeswehr zu bringen, damit sie eine solche Ausbildung erhalten. Da ist es sinnvoll, wenn wir die Bewerber bereits im Vorfeld durchleuchten können.“ 

Betroffen von der Überprüfung wären jedes Jahr etwa 20.000 potentielle Soldaten. Dafür sollen rund 90 neue Stellen geschaffen werden. Bereits im August hatte die Bundeswehr mitgeteilt, daß sie seit 2007 bereits 24 aktive Soldaten als Islamisten eingestuft und 19 davon entlassen hat. Die anderen hatten das Ende der regulären Dienstzeit bereits erreicht. Der MAD schätzt, daß in den vergangenen Jahren mindestens 30 ehemalige Bundeswehrangehörige als Kämpfer in den Irak oder nach Syrien ausgereist seien. 

Als Konsequenz soll nun jeder Rekrut vor der Einstellung durch den MAD auf verfassungsfeindliche Bestrebungen überprüft werden. Bisher werden Soldaten erst während ihrer Dienstzeit und nur dann überprüft, wenn sie in sogenannte sicherheitsempfindliche Bereiche versetzt werden. Für die anderen Soldaten gibt es bislang keine systematische Sicherheitsüberprüfung. „Der MAD erhält die richtigen Instrumente, um zu verhindern, daß Extremisten in die Bundeswehr eintreten, um sich an schweren Waffen ausbilden zu lassen“, sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), und fügt hinzu: „Das war dringend erforderlich.“ 

Erforderlich auch deshalb, weil in der Armee längst nicht mehr nur Menschen mit deutscher Abstammung ihren Dienst tun. Eine „interne Studie der Bundeswehr“, aus der die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Juli zitierte, kam zu dem Ergebnis, daß der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund (und deutschem Paß) in der Bundeswehr „insgesamt“ bei 14,4 Prozent liege. Die Bundeswehr brauche motivierte und qualifizierte Mitarbeiter, teilt das Ministerium mit: „Die Integration aller Menschen ist wichtig für uns. Dabei kommt es uns nicht auf die Herkunft an.“ 

Skandale waren immer Futter für die Medien  

Mit dem neuen „Soldatengesetz“ soll der MAD dann aber immerhin die Möglichkeit habe, zu prüfen, ob die Bewerber bereits islamistisch in Erscheinung getreten sind. Dennoch verwahrt sich der Präsident dagegen, daß seiner Behörde das Image der Schnüffelvereinigung angeheftet wird. „Wir sind eine Art moderner Sicherheitsdienstleister für die gesamte Bundeswehr im Inland und im Ausland“, erklärt Gramm, der sehr darum bemüht ist, daß sein Dienst eine bessere öffentliche Wahrnehmung erhält.

 Denn in den vergangenen Jahrzehnten war es meist so, daß der MAD allein dann zum Thema wurde, wenn ihm öffentlich ein Fehlverhalten vorgeworfen wurde. Zuletzt war dies vor einigen Monaten der Fall. So sollen führende Beamte des Verteidigungsministeriums Ende 2013 in enger Absprache mit dem Waffenhersteller Heckler & Koch versucht haben, die kritische Berichterstattung über das umstrittene Gewehr G36 zu unterbinden. Der Militärische Abschirmdienst sei in diesem Zusammenhang gegen kritische Journalisten und deren „unwahre Medienkampagne“ tätig geworden, hieß es im Spiegel. Mitarbeiter des Dienstes hätten dazu innerhalb der Armee Verhöre durchgeführt und nach Tippgebern gesucht.

Noch peinlicher und brisanter war eine Affäre aus dem Jahr 1983. Damals wurde der Vier-Sterne-General Günter Kießling der Homosexualität verdächtigt und für erpreßbar gehalten. Gerüchte machten die Runde, der MAD ermittelte eifrig. Kießling flog zunächst aus der Bundeswehr, wurde später aber rehabilitiert, weil sich die Verdächtigungen als unhaltbar erwiesen. 

Der MAD weist bis heute die Verantwortung für die Diskreditierung des Generals von sich. Die Nachforschungen seien von oben befohlen worden. Und dabei bleibt es bis heute. „Unsere Aufgabe ist das Beschaffen und Weiterleiten von Informationen. Wir handeln stets im Auftrag“, sagt Gramm.





Parlamentarisches Kontrollgremium

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Bundesregierung ist nach dem Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet, das PKGr umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Das PKGr kann von ihr außerdem Berichte über weitere Vorgänge verlangen. Der Deutsche Bundestag wählt zu Beginn jeder Wahlperiode die Mitglieder des PKGs aus seiner Mitte.  Er bestimmt die Zahl der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf sich vereint. Von den derzeitigen PKGr-Mitgliedern gehören vier der CDU/CSU-Fraktion an, drei der SPD, einer der Linkspartei und einer den  Grünen (Hans-Christian Stöbele).