© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Zu den unerschöpflichen Sujets der jüngeren Literaturgeschichte gehört das Thema Autor & Alkohol. Der amerikanische Psychiater Donald W. Goodwin hat dazu die These aufgestellt, daß Schriftsteller stärker zur Trunksucht neigten als Angehörige anderer Berufsgruppen. In einem Standardwerk untersuchte er in biographischen Skizzen einige der berühmtesten Schriftsteller aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, darunter Edgar Allan Poe, F. Scott Fitzgerald, William Faulkner, Ernest Hemingway, John Steinbeck und Georges Simenon („Maigret“). Deutsche Autoren waren nicht dabei, doch gibt es selbstredend auch hierzulande etliche Fälle. Einer von ihnen ist Benjamin von Stuckrad-Barre, der jahrelang der Alkoholsucht (und härteren Drogen) verfallen war und nach eigenem Bekunden seit einer Dekade abstinent lebt. Jetzt hat der 41jährige ein kleines Büchlein dazu vorgelegt. In „Nüchtern am Weltnichtrauchertag“ (Kiepenheuer & Witsch) erzählt er von dem Dilemma, als Nichttrinker in Gesellschaft von Zechern zu sein und wie er solche Momente wahrnimmt: „Wenn um einen herum ein gewisses Maß an Grundbetrunkenheit erreicht ist, kapiert man als Nüchterner einfach nichts mehr, und zwar lange bevor das allgemeine Gelalle losgeht.“ Dann fühle er sich wie ein Geisterfahrer. Die Reflexionen Stuckrad-Barres stillen den kleinen Lesehunger zwischendurch ebenso nahrhaft wie sein minutiöses Raucherprotokoll am Weltnichtrauchertag.


Ein paar Stunden in der Rettungsstelle/Notaufnahme eines Krankenhauses lehren mehrerlei. Erstens: Geduld. Zweitens: Demut. Drittens: Respekt und Wertschätzung für die dort tätigen Ärzte und vor allem das Pflegepersonal.


Nachtrag zu Sebastian Fitzeks neuem Psychothriller „Das Paket“ (Streifzüge vom 4. November): Die soeben beendete Lektüre hinterläßt einen schwer zu fassenden, jedenfalls aber irritierenden Beigeschmack. Sicher, die zum Teil in Rückblenden erzählte Handlung ist raffiniert gestrickt und fesselnd, der Plot wendungsreich, die Cliffhanger animieren zum unaufhörlichen Weiterlesen. Und doch wirkt das Ganze mit jeder Seite mehr wie am Reißbrett entworfen. Am Ende bleibt ein Gefühl der Ernüchterung wie beim Überdrehen einer Schraube: Nach „fest“ kommt „ab“.


Randnotiz zur Rettungsstelle: Im Geschäftszimmer wird das Radio angestellt, als erstes hört der auf einer Krankenbahre liegende Patient ein Lied der britischen Rockband Queen: „Who wants to live forever“.