© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Notizen aus dem Literaturbetrieb
Jede Menge Preise und eine Verlagsinsolvenz
Johannes Geißler

Nach den Preisen ist vor den Preisen ist nach den Preisen. – So könnte ein herbstliches Mantra des Literaturbetriebs lauten. Denn nach Nobel- und Deutschem Buchpreis gilt es noch so einige Auszeichnungen unter den Autoren zu verteilen, vor allem die sogenannten Buchpreise, die sicher auch Orientierung bei der Weihnachtsgeschenksuche geben sollen. Die Jurys haben ihre Arbeit getan, und wir nehmen zur Kenntnis: Christian Kracht erhält für seinen aktuellen Roman „Die Toten“ den Schweizer Buchpreis; gewissermaßen eine kleine Entschädigung dafür, daß man ihn unter den Kandidaten für den Deutschen Buchpreis schmerzlich vermißte. Der in diesem Jahr erstmals vergebene Österreichische Buchpreis geht an Friederike Mayröcker, die mit dem Gedichtband „fleurs“ die Jury überzeugen konnte. Über das US-amerikanische Pendant, den National Book Award, kann sich Colson Whitehead freuen, verliehen für seinen Roman „The Underground Railroad“. Im Gegensatz zu den anderen Ländern ist der französische Prix Goncourt mit einem vergleichsweise geringen Preisgeld verbunden – zehn Euro –, garantiert aber Verkaufszahlen im fünf- bis sechsstelligen Bereich. In diesem Jahr wählte man mit Leïla Slimanis „Chanson douce“ ein Buch, das keinerlei Verkaufsförderung benötigt hätte: es war schon vor der Preisvergabe ein Bestseller in Frankreich.

Für Nachwuchsautoren ohne eigenes Buch gibt es ebenfalls Preise. Allerdings müssen diese in Wettbewerben errungen werden. Das prestigeträchtigste Wettlesen des deutschsprachigen Raums fand am zweiten Novemberwochenende in Berlin statt. Bei der 24. Auflage des „Open Mike“ präsentierten 22 ausgewählte Jungautoren dem Publikum und der Jury im Neuköllner „Heimathafen“ Prosa und Lyrik; 15 Leseminuten hatten sie dafür Zeit. Als Nachwuchs- oder Jungautor gilt man im Literaturbetrieb übrigens bis 35, Talent braucht seine Zeit. Die Preise des von der Berliner Literaturwerkstatt organisierten „Open Mike“ gingen in diesem Jahr an Thilo Dierkes (Jahrgang 1995) und Benjamin Quaderer (Jg. 1989) für Prosa. Bei den Lyrikern gewann Sandra Burkhardt (Jg. 1992), den Publikumspreis erhielt Rudi Nuss (Jg. 1994). Die Texte der 22 Finalisten können in einer Anthologie nachgelesen werden (Allitera-Verlag, 188 Seiten, 12,80 Euro).

Verlage haben es mitunter schwer: Das traditionsreiche Lutherische Verlagshaus Hannover mußte Mitte Oktober Insolvenz anmelden. Da bleibt nur die Hoffnung aufs Lutherjahr.