© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Professor Klassenkampf
Bundespräsident: Linken-Kandidat Christoph Butterwegge hat eine schillernde Vita
Felix Krautkrämer

Christoph Butterwegge sorgt sich um die Demokratie in Deutschland. Dieser droht Gefahr durch Rechtspopulisten wie die AfD, warnt der Kölner Armutsforscher. Als Bundespräsidenten-Kandidat der Linkspartei will Butterwegge daher einen Beitrag zur Verteidigung der Demokratie leisten und wirbt für ein breites Bündnis von Linksaußen bis in die bürgerliche Mitte zum Schutz eben jener. Wie viele Linke scheint auch Butterwegge seine Liebe zur Demokratie vor allem dann zu entdecken, wenn sie sich für den „Kampf gegen Rechts“ instrumentalisieren läßt. Denn der 65jährige klang in früheren Jahren schon mal anders. 

„... wenn es sein muß        mit Gewalt“  

1980 riet er als frisch promovierter Sozialwissenschaftler der Arbeiterklasse, neue Formen der Staatsgewalt zu finden, um die Gefahren einer Konterrevolution auf dem Weg in den Sozialismus zu vermeiden. In der Verbandszeitschrift des Sozialistischen Hochschulbunds, frontal, schrieb Butterwegge: „Die Staatsmaschinerie der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie kann nicht mit in den Sozialismus hinübergenommen werden. Sie muß, um mit Marx zu sprechen, ‘zerbrochen’ werden.“ Auch sei der Sozialismus kein „Pluralismus-Paradies, sondern das Gesellschaftssystem, wo die Arbeiterklasse ihre politische Macht errichtet, sie – unter Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit, wenn es sein muß mit Gewalt – gegen ehemalige Kapitalisten und Konterrevolutionäre verteidigt und zur Umwälzung der herrschenden Eigentumsverhältnisse einsetzt“.

Butterwegge war damals 29 und hatte gerade seine Dissertation zur Frage nach dem Verhältnis von SPD und Staat verfaßt. Aus der SPD war der Jungsozialist wenige Jahre zuvor ausgeschlossen worden – wegen parteischädigendem Verhaltens. Grund war Butterwegges Kritik an Bundeskanzler Helmut Schmidt. Zudem gehörte der damalige Student dem sogenannten Stamokap-Flügel der Jusos an und setzte sich für eine Zusammenarbeit mit Kommunisten ein. In seiner Diplomarbeit warb Butterwegge 1974, eine „von der Vorherrschaft reformistischer Illusionen befreite SPD könne eine wichtige Rolle im Kampf um Demokratie und Sozialismus spielen“. Voraussetzung sei allerdings, daß sie ihre Bindung an das „kapitalistische System“ abstreife und in die sich verschärfenden Klassenauseinandersetzungen eingreife. Die SPD schien jedoch nicht viel von dem Ratschlag zu halten und entzog dem Klassenkämpfer ein Jahr später das Parteibuch. 

Doch davon ließ sich Butterwegge von seiner Kooperation mit Kommunisten nicht abhalten. Von 1983 an gehörte er eine Zeitlang zum Wissenschaftlichen Beirat des DKP-nahen Instituts für Marxistische Studien und Forschungen. 1989 erschien unter der Mitwirkung der DKP-Vorfeldorganisation VVN-BdA der Sammelband „Dem Haß keine Chance. Gemeinsam gegen Neofaschismus und Rassismus!“ Darin findet sich auch ein Beitrag Butterwegges, in dem dieser sich für eine „bundesweite Koordination“ der linksextremen „Antifaschistischen Aktion“ aussprach. Das Buch war eine Zusammenfassung der „Aktionskonferenz gegen Neofaschismus und Rassismus“ 1989 in Bremen. Neben DKP-Politikern und VVN-Funktionären trat auch Butterwegge als Diskussionspartner auf der Konferenz auf. 

Mit Beginn seiner akademischen Karriere bemühte er sich um eine Wiederaufnahme in die SPD, was ihm 1987 nach mehreren Anträgen auch gelang. Unter anderem hatte sich Gerhard Schröder für ihn eingesetzt, da beide sich noch aus gemeinsamen Juso-Tagen kannten. 

1990 habilitierte Butterwegge an der Universität Bremen. 1994 übernahm er eine Vertretungsprofessur an der FH Potsdam. Drei Jahre später folgte der Ruf für eine C4-Professur nach Köln. Bei einigen seiner Kollegen stieß Butterwegges Karriere allerdings auf wenig Begeisterung. Der Soziologe und Parteienkritiker Erwin K. Scheuch hielt ihm vor (JF 41/03), noch in den achtziger Jahren die Mauer inklusive Schießbefehl gerechtfertigt zu haben. Zudem gehe es ihm nur darum, die Bundesrepublik zu beschimpfen. Sein bevorzugtes Mittel dazu sei der Vorwurf der „Ausländerfeindlichkeit“. 

Neben dem „Kampf gegen Rechts“ wurde die soziale Ungleichheit das zweite Steckenpferd Butterwegges, was ihn aber zunehmend von der SPD entfremdete. Die von seinem einstigen Juso-Genossen Schröder umgesetzte Agenda 2010 lehnte er ab. Als die SPD 2005 in die Große Koalition eintrat, war für ihn das Maß voll. Eine solche Politik gegen den Sozialstaat könne er nicht mehr länger mittragen, klagte er in der taz, und verließ die Partei. Fortan wandte er sich der WASG zu, und nach deren Fusion mit der PDS der Linkspartei, in der sich auch seine Frau Caroline engagierte. 

2012 brachte die Linkspartei Butterwegge erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel. Er verzichtete jedoch zugunsten von Beate Klarsfeld. Möglicherweise aber auch, weil sich abzeichnete, daß er neben dem Konsenskandidaten Joachim Gauck kaum auf einen nennenswerten Anteil von Stimmen hoffen konnte. Das wird 2017 anders sein. Denn Butterwegges Warnungen vor der Gefahr von Rechts und sein Anprangern einer angeblichen sozialen Ungerechtigkeit in Deutschland teilen auch viele bei den Grünen und im linken Flügel der SPD. Für diese könnte Butterwegge der heimliche Herzenskandidat sein.