© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Grüße aus Santiago de Cuba
Es flossen kaum Tränen
Alessandra Garcia

Die Fahnen wehten inselweit auf halbmast. Die Casa de la Trova war, sehr zum Leidwesen der zahlreichen Touristen, geschlossen. Auch die Straßenmusiker verschwanden. Die Staatsführung hatte eine neuntägige Staatstrauer verordnet. Das Fernsehen zeigte auf allen Kanälen überwiegend Schwarzweißbilder bärtiger Guerillakämpfer. 

Der Tod Fidel Castros, der am 13. August seinen 90. Geburtstag feierte, kam nicht überraschend. Die wenigen Aufnahmen des als Revolutionär im Ruhestand stets deutsche Markentrainingsanzüge tragenden Greises wiesen auf das nahe Ende hin. So flossen auf den Straßen in Santiago kaum Tränen. Die Menschen gingen ihren Geschäften nach, standen und stehen vor den Läden Schlange.

Heldengedenken gibt es im Fernsehen. „Hasta la victoria siempre, Fidel!“ sind die Sondersendungen überschrieben. Ein Spruch, mit dem Kuba sonst an den argentinischen Comandante Ernesto Che Guevara erinnert. 

Fidel hinterläßt letztlich ein Land mit einer in Armut lebenden phlegmatischen Bevölkerung.

Fidel Castro hat die von ihm seit 1959 regierte Insel von der nordamerikanischen Vorherrschaft befreit und damit jene bürgerlich-nationale Revolution vollendet, die 1868 mit dem Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien begann. Castro sorgte aber auch mit seinen sozialistischen Experimenten dafür, daß Kuba von einem der reichsten, modernsten Länder Lateinamerikas zu einem Fall für die Welthungerhilfe wurde.

Insbesonders dieses im offiziellen Kuba verschwiegene Kapitel prägte sich tief im Bewußtsein der Menschen ein und ist ein Grund dafür, daß sie sich heute so schwertun, die neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten nach der Machtübergabe an Fidels Bruder Raúl Castro, zu nutzen: Zu tief ist das Mißtrauen gegenüber dem Staat. Fidel hinterläßt letztlich ein Land in einem katastrophalen Zustand mit einer in tiefer Armut lebenden phlegmatischen Bevölkerung.

Nach der offiziellen Zeremonie in Havanna wird Fidel Castro auf seiner letzten Reise dorthin zurückkehren, von wo er im Januar 1959 nach der Flucht Batistas aufgebrochen war: nach Santiago de Cuba. Hier begann 1953 mit dem gescheiterten Sturm auf die Moncada-Kaserne die Karriere des jungen Revolutionärs, hier wird er als letztlich gescheiterter Visionär neben dem Mausoleum des  Nationalhelden José Marti am 4. Dezember auf dem Friedhof Santa Ifigenia zur ewigen Ruhe gebettet werden und sich damit in die Vielzahl der zum Mythos gewordenen Revolutionäre einreihen.