© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Besser investieren in unsicheren Zeiten
Aktienfonds: Wählerische Value-Strategien bieten größere Chancen als Index-ETFs / Mit Zinspapieren läßt sich nichts mehr verdienen
Thorsten Polleit

Viele, die Geld langfristig anlegen wollen, sind inzwischen ratlos. Aufgrund der weltweiten Niedrigzinspolitiken läßt sich mit traditionellen Zinspapieren nichts mehr verdienen. Daß sich das wieder ändert, ist unwahrscheinlich. Zu groß sind die Schuldenlasten geworden, als daß die Zinsen wieder auf auskömmliche Niveaus zurückkehren könnten. Vor allem im Euroraum droht das Monetisieren der Schulden durch die Europäische Zentralbank (EZB) auch noch die Kaufkraft der Gemeinschaftswährung nach innen und außen zu ruinieren. 

Was ist zu tun? Am Anfang steht die Einsicht, daß man sein Vermögen nur vermehren kann, wenn man eine reale Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielt, die nach Abzug der Inflation positiv ist. Das läßt sich prinzipiell erreichen, indem man in Produktivkapital investiert. Unternehmensbeteiligungen – etwa in Form von Aktien – sind langfristig die renditestärkste Anlageform: Unternehmen schaffen Mehrwert, machen Gewinne – und Aktionäre können in Form von Kurssteigerungen und Dividenden daran teilhaben. Doch wie soll man investieren? Eine Möglichkeit ist, in einen breit gestreuten Aktienmarktindex zu investieren, etwa in Form eines Index-ETF (Exchange Traded Fund) auf den Dax, Euro Stoxx oder den amerikanischen S&P 500. Darauf setzen etwa Blackrock oder State Street und alle, die meinen, man könne langfristig nicht mehr verdienen als die Gesamt-Marktrendite (JF 37/16).

Kaufen, wenn Aktien unter ihren „inneren Wert“ fallen

Allerdings hat dies zwei Nachteile. Erstens: Die Rendite wird von schlechten Firmen oder Banken in den Indizes nach unten gezogen. Zweitens: Die Marktrendite garantiert nicht, daß die Kaufkraft des Kapitals erhalten wird. So fiel in den USA in der Zeit 1973 bis 1982 die Inflation im Durchschnitt höher aus als die Kurszuwächse des S&P 500-Aktienmarktindex. Rezession und Inflation hatten die Rentabilität vieler Firmen beeinträchtigt, so dass die Marktrendite des S&P 500 nicht ausreichte, die Kaufkraft des Kapitals zu schützen.

Die Alternative besteht darin, wählerisch zu sein und nur in Aktien von Unternehmen zu investieren, die langfristig höhere Renditen auf das eingesetzte Kapital erzielen können als andere. Das heißt in Aktien investieren, die langfristig ihre Gewinne pro Aktie steigern können, und die auch dazu in der Lage sind, wenn die Zeiten schwierig werden. Diese „guten Unternehmen“ können ihre Gewinne profitabel in das eigene Geschäft reinvestieren. Der Aktionär kommt dadurch in den Genuß eines Zinseszinseffektes, der den ökonomischen Unternehmenswert im Zeitablauf ansteigen läßt – und damit auch den Aktienkurs. Denn die Kurse an der Börse mögen kurzfristig schwanken, und es können sich auch Fehlbewertungen einstellen. In der langen Frist aber wird der Aktienkurs dem Firmenwert folgen. 

Allerdings ist auch ein Top-Unternehmen keine gute Investition, wenn es zu teuer gekauft wird. Man muß daher den „inneren Wert“ der Aktie – das ist der Barwert aller künftigen Einzahlungen, die das Unternehmen erzielt – mit ihrem Marktpreis vergleichen. Nur dann, wenn der Preis unter dem Wert liegt, lohnt sich der Kauf. Das macht es erforderlich, den Wert des Unternehmens hinreichend verläßlich abzuschätzen – sonst wird das Investieren zum Spekulieren.

Es gibt an der Börse immer wieder Situationen, in denen der Preis der Aktie unter ihren Wert fällt. Wenn man dann investiert, hat man eine „Sicherheitsmarge“: Sie trägt nicht nur dazu bei, die Investitionsrendite zu erhöhen. Sie verringert auch das Risiko von Fehlentscheidungen, von dauerhaftem Kapitalverlust. Kennt man den Wert der Aktie, sind Börsenschwankungen für den Anleger kein Risiko, sondern eine Chance. 

Wer so denkt, der sollte mit guten „Value-Investoren“ zusammenarbeiten – die übrigens sehr selten die Titelseiten der Hochglanzmagazine zieren. Sie spüren nicht nur langfristig ertragsstarke Firmen auf, sondern beschäftigen sich vor allem auch intensiv mit der Frage der Bewertung dieser Unternehmen. Und das ist von entscheidender Bedeutung: Ein Aktieninvestment wird nur dann vorteilhaft sein, wenn die jeweilige Aktie nicht zu teuer gekauft wird. Der bekannteste Value-Investor ist Warren Buffett mit seiner Holding Berkshire Hathaway, die jährlich zweistellige Milliardengewinne erwirtschaftet. Gute Value-Investoren haben die besten Voraussetzungen, langfristig positive reale Renditen erzielen zu können – gerade in Zeiten, in denen Unsicherheiten und Umwälzungen ins Haus stehen. Ihr Investitionsansatz empfiehlt sich folglich auch mit Blick auf die vielen Unbekannten, die die neue US-Präsidentschaft mit sich bringen wird.

Und was ist mit Gold? Man sollte es als Währung ansehen und als Teil der liquiden Mittel halten. Das Edelmetall kann nicht inflationiert werden, und es trägt kein Zahlungsausfallrisiko. Zudem wird es meist in Krisenphasen relativ zu Aktien teurer. Daraus entsteht eine Versicherung für das Portfolio, die es ermöglicht, in turbulenten Zeiten teures Gold gegen günstige „gute Aktien“ einzutauschen.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist ist volkswirtschaftlicher Berater des P&R Real Value Fonds.

 www.polleit-riechert.com