© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Das Geheimabkommen Tisa ist nicht im deutschen Interesse
Trumps Schattenseite
Jörg Fischer

Seit am 9. November klar wurde, daß Donald Trump der nächste US-Präsident sein wird, herrscht vom Realoflügel der Linken über die informelle Kenia-Koalition im Bundestag bis hin zur FDP nackte Panik. Auch ihre jeweiligen medialen Claqueure und die diversen Lobbyisten würden lieber heute als morgen die Wahlentscheidung der Amerikaner rückgängig machen – wenn sie könnten.

Greenpeace stimmte in das nicht enden wollende Klagelied ein. Dabei könnten sich die Umweltorganisation und ihre Unterstützer eigentlich freuen: die heftig bekämpfte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) ist tot – zumindest solange Trump regiert. Denn der wie ein „Tyrann“ denkende „Lügner und Hetzer“ (FAZ) hat erkannt, daß TTIP – wie dessen Pendants Nafta und TPP – seinem Credo „America first“ zuwiderläuft. Und Gesetze wie der Buy American Act werden sicher nicht abgeschafft, sondern zu neuem Leben erweckt. Denn nicht nur die tiefrote US-Handelsbilanz gegenüber China, Japan oder Mexiko stößt Trump und seinen zornigen Wählern sauer auf. Auch daß Deutschland 2015 Waren für 114 Milliarden Euro in die USA lieferte, aber nur für 59 Milliarden Euro von dort importierte, soll nicht so bleiben.

Dafür könnten allerdings die Chancen für das Dienstleistungsabkommen Tisa (Trade in Services Agreement) unter Trump steigen. Der Geheimvertrag wird seit 2012 zwischen den USA, der EU und 21 weiteren Staaten (darunter Japan, Mexiko, Südkorea, die Türkei und Pakistan), die für 68 Prozent der globalen Dienstleistungen stehen, verhandelt. Und während es seit Bill Clintons Zeiten immer weniger „Made in America“-Produkte gibt, sieht das im Finanz- und Servicebereich ganz anders aus: die US-Verhandler erhoffen sich von Tisa eine Steigerung der amerikanischen „Exporte“ von Dienstleistungen um etwa 600 Milliarden Dollar.

Daß Tisa die EU-Regelungen zum Datenschutz aushebeln würde, wie vorige Woche von Greenpeace veröffentlichte Geheimdokumente verraten, stört weder die europäischen Konzernlobbyisten noch die künftige Trump-Administration. Auch bei der Forderung, Tisa dürfe die Geheimdienste bei ihrer IT-Überwachung nicht beeinträchtigen, werden sich Trump und die EU sicher schnell einigen. Daß US-Konzerne bei Bildung, Transport und im Finanzsektor oder bei der Wasser-, Energie- und Gesundheitsversorgung in den anderen Tisa-Staaten künftig einfacher mitmischen können, paßt Trump ebenfalls ins Konzept. Und daß Tisa „nicht zu rechtfertigende Diskriminierungen“ verbietet, freut vom alten Europa kujonierte Datenkraken wie Amazon, Facebook, Google oder Microsoft. Insofern ist Trump tatsächlich ein Risiko für die Deutschen – aber ganz anders als FAZ & Co. suggerieren.

Ausgewählte Tisa-Verhandlungstexte: ttip-leaks.org