© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Ein großer Verleger
Nachruf I: Mit der deutschen Unternehmerlegende Herbert Fleissner verstarb ein politischer Querkopf und konservativer Freigeist
Dieter Stein

Für mich war der Verleger Herbert Fleissner immer schon da. Als Schüler lernte ich Anfang der achtziger Jahre konservative Zeitschriften wie Criticón oder das Deutschland-Magazin kennen. Dort fand ich in fast jeder Ausgabe ganzseitige Anzeigen der Buchverlage Herbig Langen Müller abgedruckt. Zeitgeschichtliche und politische Titel zum Thema Vertreibung, Zweiter Weltkrieg, Ost-West-Konflikt, zur offenen deutschen Frage ... es waren aufrüttelnde Titel vieldiskutierter und prominenter Autoren.

Offensichtlich verbarg sich dahinter der erfolgreichste konservative Verleger seiner Zeit neben dem Zeitungsgründer Axel Springer – verbinden sollte beide Persönlichkeiten tatsächlich von 1984 bis 1996 die Kooperation in der Verlagsgruppe Ullstein/Propyläen, die nach Springers Tod beendet wurde. 

Erst sehr viel später wurde mir klar, daß diese Verlagsgruppe eben nicht einfach „immer schon da war“, es sich bei Herbert Fleissner nicht um das soundsovielte Glied in einer Generationen zählenden Dynastie handelte, sondern daß er sein Unternehmen als Student buchstäblich bei Null aufgebaut hatte. 

Als ich Herbert Fleissner näher kennenlernte, wurde mir bewußt, daß das Geheimnis seines Erfolges die Kombination aus kaufmännischem Geschick und ideeller Sendung war – wobei das letztere die entscheidende Triebfeder ist, die politische Leidenschaft, einen Verlag bei scharfem Gegenwind aufzubauen und zu etablieren.

Herbert Fleissner antwortete einmal im Fragebogen der JF, was für ihn Heimat bedeutete: das Egerland. Was ihm wichtig war: die Freiheit. Was ihm seine Eltern mitgegeben haben? Mut. Welches Ereignis für die Welt das einschneidendste gewesen sei? Die Vertreibung 1945. Was er verändern möchte? Die Anerkennung der Menschenrechte auch für die Deutschen in der Tschechischen Republik. An was er glaubt? An das Recht. Wofür er alles stehen und liegen läßt? Wenn meine Familie mich braucht.

Mit diesen kurzen Antworten ist das Schicksal und der emotionale Hintergrund des Menschen Herbert Fleissner scharf umrissen. Die Vertreibung aus seiner Heimat Eger, wo er am 2. Juni 1928 geboren wurde, der Verlust von Freiheit und Recht für ihn, seine Familie und seinen Volksstamm, die Sudetendeutschen, ist das Schlüsselerlebnis, das sein verlegerisches Wirken prägte.

Wertvorstellungen mittels Büchern transportieren

Wie viele Vertriebenen mußte Fleiss-ner sich seine Existenz nach Flucht oder Deportation wieder aus dem Nichts aufbauen. Als Student verfaßte er in Innsbruck ein erstes Werk über die Vertreibung – und veröffentlichte es im Selbstverlag. Den Vertrieb nahm er ebenfalls selbst in die Hand, so entstand die Basis für sein späteres Verlagsimperium. Schritt für Schritt, mit der Übernahme namhafter Verlage wie Amalthea (1962) Herbig (1966), Langen Müller (1967), Universitas 1972 und zahlreicher weiterer Verlage stieß Fleissner in die strenggehüteten Bezirke des deutschen Buchverlagswesens vor, wo man sorgsam darauf achtete, unter sich zu bleiben. Zeitweise umfaßte die Buchverlagsgruppe Langen Müller Herbig 16 Verlage, deckt ein breitgefächertes inhaltliches Spektrum ab von Belletristik bis Sachbuch und zählte zu den größten der Branche.

Fleissners Verlagspolitik, auch nicht-linke, konservative Literatur für ein breites Publikum zu verlegen, stieß von Anfang an auf scharfen Widerstand. Diesem Kampf gegen die „Schweigespirale“, so der Titel des von ihm verlegten Klassikers von Elisabeth Noelle-Neumann, hatte er sich zeitlebens verschrieben. 

Fleissner bekannte einmal: „Wir wollen bestimmte Wertvorstellungen mittels unserer Bücher transportieren, Bertelsmann will Profite optimieren. Hätte ich je anders gedacht, wäre ich damals in eine andere Branche eingestiegen.“ Das zeichnete ihn aus. Er provozierte immer wieder durch politische und zeitgeschichtliche Autoren, denen die etablierten Buchverlage sich verschlossen. Aus einer weitgehend eindimensionalen Verlagslandschaft wurde durch ihn eine zweidimensionale. 

Herbert Fleissner verstärkte das notwendige Gegengewicht, ohne das Demokratie zur Farce wird. Ernst Nolte umschrieb dies anläßlich Fleissners 75. Geburtstag treffend so: „Ich wage die kühne These, daß die deutsche Demokratie in der intellektuellen Sphäre auf zwei Augen steht, auf den Augen von Herbert Fleissner. Ohne ihn und seine Verlage hätte eine wichtige Strömung des Denkens und Empfindens keine weithin vernehmbare Stimme, nämlich die ‘rechte’ Strömung, die sich deutlich von der ‘Suhrkamp-Kultur’ unterscheidet. Aber daß die ‘Suhrkamp-Kultur’ und alles, was mit ihr zusammenhängt, nicht alleinherrschend sei, müßte eine essentielle Forderung all jener ‘linken Leute’, sein, die sich über die These von den ‘zwei Augen’ entrüsten oder mit spöttischem Schweigen darauf antworten werden. Eine Demokratie, in der es im intellektuellen Bereich nur Linke und im politischen Felde bloß zwei kaum verschiedene Volksparteien gäbe, wäre keine ‘freiheitliche’, sondern bestenfalls eine ‘amputierte’, die zu einem neuartigen Totalitarismus tendieren würde.“

Lange bevor von verkrampften Patriotismusdebatten die Rede war, definierte er die „Selbstbewußte Nation“, wie ein von ihm verlegter programmatischer Buchtitel hieß. Für diese patriotischen Autoren hatte Fleissner einen großen und weiten publizistischen Salon mit vielen Fenstern in alle Himmelsrichtungen geschaffen. Er vereinte Autoren schillernder politischer Couleur unter einem Dach, von Hellmut Diwald, Ernst Nolte, Alexander Solschenizyn über Joachim Fernau, Karlheinz Weißmann, Klaus Rainer Röhl bis zu Ephraim Kishon, Simon Wiesenthal, Franz Schönhuber und Willy Brandt, Gerhard Löwenthal oder Fritz Schenk.

Fleissner brachte es auf die Formel, daß „die freiheitliche Rechtsordnung unseres Landes, die Menschenrechte, wie etwa das Recht auf Heimat, und der Patriotismus“ sein verlegerisches Programm sind. Er hatte der Verlockung des Opportunismus widerstanden, blieb aber auch nie stehen, sah auch nicht seine Aufgabe darin, „gegen Windmühlen anzukämpfen, sondern die Erinnerung an Geschichte und Tradition der ehemals deutschen Länder-Siedlungen im Osten wachzuhalten, dafür einzutreten, was recht ist, und den heimatlos gewordenen Menschen ein Stück Trost und Hoffnung zu geben“.

Wenn es einen deutschen Verleger gab, der für mich beim Aufbau der JUNGEN FREIHEIT ein Vorbild war, dann war dies Herbert Fleissner. Ich habe ihn 1990 in München das erste Mal als damals 23jähriger getroffen, um ihm von der JF zu erzählen. Er hat vom ersten Moment an die JUNGE FREIHEIT, die damals kaum jemand kannte, und meine Idee geglaubt. Er hat mir mit Rat und Tat geholfen. Er hat mir – und vielen anderen – mit seinem außergewöhnlichen Lebensweg Mut gemacht, etwas mit geringen Mitteln aufzubauen, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und auch gegen jahrelange Widerstände durchzufechten.

Für Menschenrechte,     Heimat und Patriotismus

Die Witwe des Schriftstellers Joachim Fernau, Gabriele Fernau, schrieb einmal in dieser Zeitung (JF 23/03): „Ein Autor kann sich nicht besseres wünschen als einen Verleger, der außer seinem verlegerischen Können zusätzlich eine nur noch selten anzutreffende Qualität besitzt: Furchtlosigkeit, der nicht gleich vor dem erhobenen Zeigefinger der Political Correctness erstarrt, der nicht gleich zittert, wenn ein Literaturpapst indigniert die Braue hebt, der keine feuchten Hände bekommt, wenn der Zeitgeist wieder mal meint, empört sein zu müssen. Mein Mann, Joachim Fernau, der selbst ein mutiger Mann war, hatte das Glück, nach allerlei Enttäuschungen den mutigen Verleger zu finden, den er brauchte. In den mehr als zwanzig Jahren der Zusammenarbeit habe ich Dr. Fleissner bei all den Angriffen und Attacken, die ihm oder seinem Autor oder beiden galten, nie ängstlich erlebt.“

Im Jahr 2004 konnte ich in der Zitadelle Spandau Herbert Fleissner als erstem den Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis für Publizistik überreichen und mich vor seinem Lebenswerk verneigen. Als er vor acht Jahren in München seinen achtzigsten Geburtstag im Kreise seiner Familie und Freunde feierte, hatte er das Schicksal seiner Verlage bereits in die Hände seiner Kinder gelegt, um sich der Pflege seiner Frau widmen zu können. Herbert Fleissner verstarb am 25. November in München. Mit ihm verliert Deutschland einen großen Verleger und Patrioten.

Foto: Herbert Fleissner: Er baute sein Unternehmen aus eigener Kraft auf