© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Eine Kontroverse zum NS-Erbe der Geopolitik
Deterministische Konzepte
(wm)

In den aktuell unsicheren Zeitläuften wächst das Bedürfnis nach Orientierung über die unübersichtliche Weltlage. Davon profitierte der britische Journalist Tim Marshall, der 2015 mit „Die Macht der Geographie. Wie sich Weltpolitik anhand von zehn Karten erklärt“ einen Bestseller landete, der in deutscher Übersetzung bisher sechs Auflagen erreichte. Sogar in der Fachkritik stießen seine „populären“ Deutungen auf „Wohlwollen“. Etwa bei dem Berliner Emeritus Fred Scholz, der mit seiner These von der „fragmentierenden“, Entwicklungsländer „abhängenden“ Globalisierung 2002 selbst über Fachgrenzen hinaus wirkte. Sein Lob in der Geographischen Rundschau (5/2016) provozierte nun Helmut Schneider (Universität Duisburg), ohnehin beunruhigt durch die „Renaissance raumbezogenen politischen Denkens“ und darum mit zunehmender Intensität geführter Debatten, zur Replik (11/2016). Scholz habe wohl zu unkritisch Marshalls „Geodeterminismus“ ignoriert. Auch wenn die Attraktivität „kleinräumigerer Ordnungen“ angesichts der „ins Stocken“ geratenen Globalisierung zunehme, sollten gerade deutsche Geographen Distanz zu deterministischen Konzepten halten. Denn mühsam genug sei ihre Loslösung vom geopolitischen NS-Erbe gewesen, der „normativen Setzung des Staatsvolks als raumgebundene ethnisch-kulturell homogene Nation“. 


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