© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

„Lautlos abgewickelt“
ZFI-Herbsttagung widmet sich der Vertriebenenpolitik
Gernot Facius

Das Verhalten der Regierung Merkel gegenüber den deutschen Heimatvertriebenen ist nach Meinung des Berliner Verlegers und Autors Konrad Badenheuer „widersprüchlich“. Das wohl größte Verdienst der Kanzlerin aus Sicht einer am Völkerrecht orientierten Vertretung der Belange der Ost- und Sudetendeutschen sei es sicher, 2006 und 2007 die Forderung der damaligen polnischen Regierung Kaczynski nach einem De-jure-Schlußstrich unter die Rechte der Vertriebenen wirkam zurückgewiesen zu haben, sagte Badenheuer während der Herbsttagung der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI). Doch davon spreche sie nie und wolle auch nicht dafür gelobt werden. 

Auf der anderen Seite stünden „zum Teil haarsträubende Unterlasungen“. So seien „exzellente“ Möglichkeiten, die Interessen der Vertriebenen klug zu vertreten, „mutwillig ausgelassen, ja weggedrückt“ worden. Als Beispiel nannte der Referent, der mehrere Jahre Pressesprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft war, das „Totschweigen der eindrucksvollen serbischen Restitutionspolitik“ seit 2011. Badenheuers Fazit: Alles laufe auf eine „lautlose Abwicklung“ der deutschen Vertriebenen hinaus.

Über Deutsche und Juden, ein Thema von „nicht vergehender Aktualität“, referierte der Historiker und Buchautor Günther Deschner (Königswinter). Er hob den „maßgeblichen“ Beitrag von Juden an der Gestaltung und Sicherung des deutschen Nationalstaates hervor. Im Dritten Reich sei der deutsch-jüdische Patriotismus fast ganz zerstört worden. Seine Rückholung wenigstens in die geschichtliche Erinnerung begegne unangemessenen Schwierigkeiten. Die allermeisten, auch der heute in Deutschland lebenden Juden, wüßten von der einstigen deutsch-jüdischen Symbiose nicht mehr viel, es werde auch kaum an sie erinnert. Deschner: „Denn die meisten dieser deutsch-jüdischen Patrioten der Vergangenheit müßten sich heute von einer überwiegend geschichtslosen BRD-Gesellschaft Kritik gefallen lassen.“

Der Historiker Konrad Löw (München) setzte sich kritisch mit Konzeption und Botschaft des 2015 eröffneten „NS-Dokumentationszentrums München“ auseinander, das die bayerische Metropole vornehmlich als „Täterstadt“ zeigen soll. Löw bekräftigte den in dem mit seinem Co-Autor Felix Dirsch verfaßten Buch „München war anders“ (JF 45/16) erhobenen Vorwurf, daß wichtige Dokumente „ausgeblendet“ worden seien. Bekundungen von jüdischen Zeitzeugen, die den „dogmatischen Vorgaben“ für das Zentrum widersprächen, „blieben fast gänzlich unerwähnt“.