© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Die Einzelfälle von Freiburg
Zwei Frauen wurden vergewaltigt und getötet: Nach der Verhaftung eines „Flüchtlings“ sorgt sich die Politik um die politische Korrektheit
Martina Meckelein

Im Jahr 2015 zählte das Bundeskriminalamt 300 getötete und ermordete Frauen in Deutschland. Wie hoch die Zahl in diesem Jahr sein wird, wissen wir nicht. Allerdings kennen wir von zwei Opfern die Namen: Maria und Carolin. Beide lächeln uns zu. Sie schauen uns entgegen, wenn wir Zeitungen aufschlagen oder im Internet surfen. Fotos fröhlicher Frauen. Doch beide wurden vergewaltigt, beide vermutlich ermordet. 

Die Verbrechen an den beiden Frauen in Freiburg haben aktuell die gesellschaftspolitische Diskussion in Deutschland verändert. Maria L. (19) und Carolin G. (27) wurden Opfer des Feminizids – der Frauentötung. Doch statt Aufklärung, statt des Abwägens – Gift und Galle. Medien, Politik, Gewerkschaften – sie gehen sich gegenseitig an den Kragen. Die Diskussion dreht sich nicht um den gefährlichen, von Sexismus und Gewalt geprägten Alltag der Frauen in Deutschland. Sie dreht sich um politische Korrektheit.

Der Mensch gewordene Alptraum

Denn im Fall der getöteten Medizinstudentin Maria L. hat die Polizei einen Mann festgenommen. Er sitzt wegen Mordverdachts in U-Haft. Er ist ein junger, 2015 illegal eingereister unbegleiteter Migrant. Nach eigenen Angaben minderjährig. Er ist der Mensch gewordene Alptraum für kritiklose Willkommensbefürworter. Eine Bestandsaufnahme des schlechten Gewissens.

Am 16. Oktober 2016 wird Maria L. (19) in Freiburg vergewaltigt und getötet. Ihre bekleidete Leiche wird am selben Tag, fast mittig im felsigen Flußbett der Dreisam liegend, entdeckt. Sie ist ertrunken. Am 6. November wird bei der Kleinstadt Endingen Carolin G. (27) vergewaltigt und getötet. Hundertschaften der Polizei suchen nach ihr. Ihre Leiche wird erst am 10. November durch einen Spürhund entdeckt.

Das Polizeipräsidium Freiburg richtet zwei Sonderkommissionen ein. Für Maria die Soko Dreisam, für Carolin die Soko Erle.

Die Kriminaltechniker sichern am Dreisamufer eine Brombeerhecke. Darin finden sie ein 18,5 Zentimeter langes auffälliges schwarzes Haar, das zu zwei Dritteln blondiert ist. Die DNS entspricht der Täter-DNS, die die Kriminologen an der Leiche des Opfers und an einem herrenlosen Fahrrad fanden, das 500 Meter vom Tatort entfernt entdeckt wurde.

Der Durchbruch für die Soko Dreisam erfolgt am Freitag, dem 2. Dezember, um 12.30 Uhr. Zwei Schutzpolizisten auf Streifenfahrt. In Freiburg-Littenweiler stutzen sie. Auf der Straße sehen sie einen jungen Mann. Das könnte derjenige sein, dessen Fahndungsfoto seit knapp zwei Tagen im Intranet der Polizei steht. Auf dem Fahndungsfoto ist ein junger Mann in der Straßenbahn mit schwarzem Schal, schwarzen Haaren und einem langen blonden Zopf zu sehen. Der Mann jetzt auf der Straße hat zwar die Haare geschnitten, aber die Beamten stoppen doch ihr Fahrzeug, steigen aus. „Allgemeine Personenkontrolle!“ Sie verlangen den Ausweis des Mannes.

Der überreicht den Beamten seine Papiere – „äußerlich ruhig“, sagt Soko-Dreisam-Sprecherin Laura Riske, zuständig für die Aufklärung des Verbrechens an der Studentin. Die rufen über Funk die Soko Dreisam, übergeben den Mann auf der Kripo ihren Kollegen. Nach einigen Stunden ist klar: Der Festgenommene, ein 2015 illegal nach Deutschland eingereister Afghane, ist der Mann, nach dem wochenlang 63 Beamte fieberhaft gesucht haben.

Wer ist der Täter? Auf einer Facebook-Seite, die ihm gehören soll, sind diverse Fotos des Mannes zu sehen. Tattoos auf dem Rücken mit persischen Schriftzeichen. Zeichnungen von Wölfen oder Werwölfen. Einer beugt sich über eine lasziv in seinen Armen liegende Frau. Auf das Lob eines Seitenbesuchers schreibt er: „Danke Bruder.“

Politisch korrekter Irrsinn: Statt den Erfolg der Beamten vorbehaltlos zu würdigen, wird die Bevölkerung abgemahnt. Einer der ersten ist Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne). Laut Deutscher Presse-Agentur lobt er zwar die Ermittler, um dann allerdings gleich nachzulegen, die „Herkunft des Täters nicht für Pauschalurteile heranzuziehen, sondern den Einzelfall zu betrachten“.

Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), äußert gegenüber der Bild-Zeitung: „Dieses und viele andere Opfer würde es nicht geben, wäre unser Land auf die Gefahren vorbereitet gewesen, die mit massenhafter Zuwanderung immer verbunden sind.“ Das läßt den SPD-Vizechef Ralf Stegner twittern: „Einlassungen von DPolG-Chef Wendt (CDU) zu der grausamen Freiburger Gewalttat ist politisch widerlich und dümmer, als die Polizei erlaubt.“ Die ARD will bundesweit in der Tagesschau über die Festnahme des mutmaßlichen Täters nicht berichten (siehe rechter Kasten). Der zahlende Zuschauer empört sich. Es folgen die Medien, dann fällt sogar die Politik der ARD in den Rücken.

„Die Auffindesituation ist Täterwissen“

Das Vergewaltigungs- und Tötungsverbrechen an Maria L. ist eben jedoch gerade kein Einzelfall. Schon gar nicht zur gegenwärtigen Zeit in Freiburg. Die Soko Erle fahndet nach einem oder mehreren Tätern, die für den grausamen Tod der 27jährigen Joggerin Carolin G. in Endingen am Kaiserstuhl verantwortlich sind.

In dieser Gemengelage wuchern Gerüchte in Freiburg. Die Frauen seien brutal ermordet worden, heißt es. Und immer mehr Bürger fragen sich, warum die Polizei nicht die genauen Todesumstände und Verletzungen veröffentlicht. „Das tun wir nicht, weil die konkrete Auffindesituation der Toten Täterwissen ist“, erklärt Soko-Sprecherin Riske. „Die und die Obduktion geben uns wichtige Hinweise auf die einzelnen Schritte, wie der Täter vorgegangen ist. Wir wollen keinem Verteidiger die Möglichkeit geben, sagen zu können, daß dieses Wissen schon in der Zeitung stand. Das kann den Prozeß gefährden.“

Der Haftbefehl gegen den jungen Afghanen lautet auf Vergewaltigung und Mord. Es gibt verschiedene Mordmerkmale: Verdeckungsabsicht, niedrige Beweggründe (Habgier, Mordlust und Befriedigung des Sexualtriebes), Heimtücke und Grausamkeit.

Ein weiteres Gerücht: Das Fahrrad, an dem DNS-Spuren des Festgenommenen gefunden wurden, stamme aus einem Flüchtlingsverein. „Wir sind diesen Hinweisen nachgegangen – ohne Ergebnis“, sagt Riske der JUNGEN FREIHEIT. „Allerdings suchen wir dringend Hinweise zu dem Eigentümer des Rades.“ Zu Vermutungen, daß Maria L. zuvor den Afghanen über einen Flüchtlingsverein kennengelernt habe, liegen bisher ebenfalls keine Erkenntnisse vor. Besonders tragisch: Sie hatte sich für „Flüchtlinge“ engagiert, ihre Eltern baten in der Todesanzeige ihrer Tochter um Spenden für eine Studenteninitiative, die sich unter anderem auch um lokale Flüchtlingsprojekte kümmerte.

Die Angst in Freiburg ist durch die Inhaftierung des Afghanen indessen nicht geringer geworden. „Sie ist spürbar“, sagt Andreas Schumacher, AfD-Geschäftsführer in Freiburg. „Frauen verabreden sich, um abends gemeinsam nach Hause zu gehen, nur wenige gehen noch alleine.“

Um ein weiteres Gerücht zu klären, soll jetzt das Alter, das der mutmaßliche Täter bei der Einreise nach Deutschland im November 2015 angab, überprüft werden. „Grundsätzlich hat im Falle fehlender einschlägiger Dokumente oder bei Zweifeln an der Echtheit einschlägiger Dokumente eine qualifizierte Inaugenscheinnahme zu erfolgen“, erklärt Anna Zaoralek, stellvertretende Sprecherin des Sozialministeriums Baden-Württemberg. „Verbleiben hiernach Zweifel, ist eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen.“

Carsten Dehner, Sprecher des Innenministeriums: „Altersuntersuchungen sind nicht in jedem Fall zwingend. Sie spielen natürlich in einem Strafprozeß eine Rolle. Würde der Verdächtige nach Jugendstrafrecht angeklagt, drohten ihm bei Mord zehn Jahre Haft, im Erwachsenenstrafrecht droht ihm lebenslang.“ Die Staatsanwaltschaft hat in Freiburg für den dringend der Tat verdächtigen Afghanen eine Altersüberprüfung angeordnet.

Strafprozeßordnung soll doch reformiert werden

Aber eines ist kein Gerücht. Das Bundesjustizministerium prüft jetzt, den Paragraph 81e Strafprozeßordnung zu reformieren. Er verbietet, weitere DNS-Merkmale wie Ethnie, Augen- und Haarfarbe zu analysieren (JF 48/16). „Wir beobachten aktuell wissenschaftliche Erkenntnisse sehr genau im Hinblick auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf“, sagt Juliane Baer-Henney, Sprecherin des Bundesjustizministeriums, gegenüber der jungen freiheit. Einen Zusammenhang mit den Freiburger Fällen möchte sie nicht sehen. „Das würde so wirken, als würde das Ministerium getrieben. Dem ist aber nicht so.“

Und während die Öffentlichkeit noch über die Freiburger Fälle diskutiert, sorgen in Bochum zwei weitere Vergewaltigungen in Nähe der Universität für Schlagzeilen. Der mutmaßliche Täter: ein Asylbewerber. Er hatte eine der Frauen so schwer verletzt, daß die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, daß er sein Opfer ermorden wollte.





ARD-Versagen

Angesichts des Falls ist die Nachrichtenauswahl der ARD in heftige Kritik geraten. Die „Tagesschau“ vom Samstag hatte nicht über die Festnahme des Tatverdächtigen berichtet. „Bei aller Tragik für die Familie des Opfers hat dieser Kriminalfall eine regionale Bedeutung. Die Tagesschau berichtet überregional, als Nachrichtensendung für ganz Deutschland“, hieß es zur Begründung in einer Stellungnahme auf Facebook, nachdem sich dort zahlreiche Nutzer beschwert hatten. Zudem gelte bei dem noch minderjährigen Tatverdächtigen „der besondere Schutz von Jugendlichen“.

Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke betonte auf tagesschau.de sowie in einem Livestream auf Facebook, daß ein „einzelnes Verbrechen“ nicht zu „gesellschaftlich, national und international“ relevanten Ereignissen zähle. Auch habe sich der Freiburger Fall nicht von anderen Mordfällen abgehoben. Man könne und wolle nicht „über jeden der circa 300 Mordfälle pro Jahr berichten“. Interessant: Internationale Medien wie die Rzeczpospolita, The Telegraph oder die New York Times berichteten über die neuesten Erkenntnisse im kleinen Breisgau – mit deutlichem Hinweis darauf, daß der Tatverdächtige ein „Flüchtling“ aus Afghanistan ist.

Auf die Nutzerfrage, warum es dann die Böllerattacke auf eine Dresdner Moschee Ende September in die Sendung geschafft hatte, antwortete Gniffke, weil sich dahinter das „gesellschaftlich breite Phänomen“ der „Fremdenfeindlichkeit“ verberge. Aufgrund des öffentlichen Drucks beleuchteten dann die „Tagesthemen“ am Dienstag abend den Fall Maria. (gb)





Fakten und Daten

Altersfeststellung

Das Alter eines Beschuldigten medizinisch bestimmen zu lassen, ist gängige Praxis in der Rechtsmedizin. Gemäß Paragraph 81a der Strafprozeßordnung darf eine „körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind“. Eine Einwilligung des Beschuldigten ist verzichtbar. Röntgen der linken Hand und des Schlüsselbeins, Panoramaschichtaufnahmen der Kieferknochen sowie Computertomographien und die Inaugenscheinnahme der Schamteile sind übliche Methoden. (ru)

Freiburg: Hochburg der Grünen, Hochburg des Verbrechens und junge Studentenstadt

Freiburg: 2002 erste deutsche Großstadt mit einem grünen Oberbürgermeister nach 40 Jahren SPD-Regierung; Dieter Salomon (Bündnis 90/Die Grünen) wurde 2010 mit 50,5 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Die Grünen erzielten 2002 und 2005 im Wahlkreis Freiburg ihr bundesweit bestes Zweitstimmenergebnis. Aus der Landtagswahl 2016 gingen sie mit 38,9 (Freiburg I) beziehungsweise 40,5 Prozent (Freiburg II) gestärkt hervor.

Die viertgrößte Stadt Baden-Württembergs führt die Kriminalitätstabelle des Bundeslandes mit Abstand an. Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2015 weist auf 100.000 Einwohner 12.296 Straftaten aus. Die Gewaltkriminalität hat das vierte Jahr in Folge zugenommen auf jetzt 958 Fälle. Bei den 210 Raubüberfällen im Jahr 2015 (im Vergleich zu 2006 eine Zunahme um die Hälfte) waren 62 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen Ausländer. Die Aufklärungsquote ist hier mit 42,5 Prozent leicht gesunken.

Ein Drittel aller Straftaten ereignet sich im Gebiet der Altstadt. Weiterer Kriminalitätsschwerpunkt ist der an der Dreisam gelegene Stadtteil Haslach; Haslach-Gartenstadt wird zu 67,8 Prozent von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bewohnt (Stand 1. Januar 2016).

Die Stadt mit 226.400 Einwohnern, darunter 36.800 Ausländer, ist mit Albert-Ludwigs-Universität und mehreren weiteren Hochschulen traditionell Anziehungspunkt für junge Leute – insgesamt sind mehr als 33.000 Studenten eingeschrieben. Die größte Altersgruppe in der Stadt stellen mit 30,8 Prozent Personen zwischen 25 bis unter 45 Jahren.

36 Prozent der Einwohner in der Bischofsstadt bekennen sich zum katholischen Glauben, 23 Prozent sind Protestanten.

Die Arbeitslosenquote der Stadt liegt mit 3,8 im unteren Bereich mit zuletzt sinkender Tendenz; im November waren 13.469 Einwohner arbeitslos gemeldet. (ru)