© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Türkei
Haarsträubende Bilanz
Thomas Fasbender

Über ein Dutzend Bombenanschläge, mindestens 250 Tote, zahllose Verletzte – die Bilanz des Terrors 2016 ist haarsträubend. Präsident Recep Erdogan schlägt zurück. Über hunderttausend Staatsbedienstete, Militärs, Journalisten und Politiker sind in Haft. Rechtsstaat und Gewaltenteilung sind außer Kraft gesetzt.

Auf seinem Weg zum Comeback der Türkei als regionale Ordnungsmacht ist der Präsident vorerst steckengeblieben. Vor allem scheitert Ankara am Widerspruch von Imperium und Nation. Wenn die Türkei ins osmanische Fahrwasser zurückfinden will, darf sie weder Kurden noch andere ethnische Minderheiten einsperren – sie muß sie einbinden. Geht sie dagegen den nationalen Weg, gibt es zu einer eigenstaatlichen Kurdenlösung keine Alternative.

Und die Europäische Union? Dort diskutiert man den möglichen Abbruch der Beitrittsverhandlungen. Das Ganze mutet an wie Skilaufen auf vorjährigem Schnee. Die deutsche Regierung klammert sich an den Status quo, immer in der einen verzweifelten Hoffnung, daß der Flüchtlingsdeal bis zur Bundestagswahl überlebt. Dabei weiß jeder, daß die Türkei niemals EU-Mitglied werden wird. Und auch nicht will. Mit einem Durchschnittsalter von knapp unter 30 Jahren ist sie schließlich viel zu jung (Deutschland: 44,2). In dem Alter hat man noch was vor sich.