© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Moderne Geisterjäger
Kritik an Kahane: Die Amadeu-Antonio-Stiftung wittert eine rechte Verschwörung
Boris T. Kaiser

Im Hollywoodstreifen „The Sixth Sense“ gibt es die berühmte Szene, in der der kleine Junge dem von Bruce Willis gespielten Psychologen erzählt, daß er tote Menschen sehe. Auf die Frage, wie oft er diese sehen würde, antwortet er: „Ich sehe sie immer. Sie sind überall.“ Ähnlich wie das verängstigte Kind im Film überall Verstorbene umherwandern sieht, fürchtet der moderne Linke überall „Nazis“. Aber während Haley Joel Osment für seine glaubhafte Darstellung eine Oscar-Nominierung einheimsen konnte, wirken die Versuche der modernen Nazi-Geister-jäger, der Gesellschaft einzureden, daß sie von Faschisten durchsetzt sei, immer unglaubwürdiger. Dies liegt nicht zuletzt am Personal, mit dem Ober-Ghostbuster Heiko Maas bei der Nazijagd zusammenarbeitet. Wobei man ihm nicht vorwerfen kann, er setze nicht auf erfahrene Leute. Anetta Kahane zum Beispiel hat schon im Auftrag der Stasi Andersdenkende für das DDR-Regime im Auge behalten. Insofern ist sie aus Sicht des Bundesjustizministers offenbar geradezu prädestiniert dazu, mit ihrer Amadeu-Antonio-Stiftung gegen die neuen Regierungskritiker ins Feld zu ziehen. Schon in der sozialistischen Diktatur der DDR war schließlich jeder ein Staatsfeind, der den „Antifaschistischen Schutzwall“ durchbrechen wollte, und war es auch nur geistig. 

Nach diesem altbewährten Strickmuster machen Kahane und ihre Stiftung auch heute überall Rechtsextremisten aus. Vor allem in den deutschen Medien tummeln sich diese wie die Motten um eine Straßenlaterne, wenn man der roten Zora aus Berlin-Pankow glauben möchte. Die Achse des Guten, Tichys Einblick, FAZ, Süddeutsche Zeitung, Focus, JUNGE FREIHEIT, ja sogar das ZDF sind alle Teil der ominösen „Neuen Rechten“, die sich lediglich als liberal-konservativ tarnt, um Rassismus und Nationalismus wieder salonfähig zu machen. Und weil Kahane und ihre Umerziehungs-Stiftung im Kampf für das Gute und gegen das Böse, sprich Rechte, so erfolgreich sind, versuchen diese „neurechten“ Kräfte, sie persönlich und damit ihre gesamte Arbeit auf das infamste zu verleumden. So zumindest suggeriert es eine Studie (siehe Seite 4), die die Amadeu-Antonio-Stiftung praktischerweise für 2.500 Euro selbst in Auftrag gegeben hat, was immer dann eine gute Idee ist, wenn man sich von dem Ergebnis nicht allzusehr überraschen lassen möchte. 

Die „Verleumdungskampagne“ gegen Kahane wird aus ihrer Sicht mit den denkbar unfairsten Mitteln geführt. Dabei erdreisten sich die von ihr unter den Verdacht des Rechtsextremismus gestellten doch tatsächlich, mit Fakten zurückzuschlagen und machen die Vergangenheit Kahanes zum Thema. Denn die wackere Gesinnungskämpferin hat acht Jahre lang als „IM Victoria“ für die Stasi gespitzelt. Zu denen, über die sie an die Staatssicherheit berichtete, gehörten Künstler, Journalisten, Studenten und in der DDR lebende Ausländer. Auch Personen, die gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestierten und Freunde des regimekritischen Liedermachers Wolf Biermann belastete sie. Dafür erhielt Kahane unter anderem Kaffee, Kuchen, Zigaretten und Schnaps sowie im besonderen Fall einen goldenen Füllfederhalter oder 200 Mark.

Aus heutiger Sicht jedoch sind das nur Peanuts. Für einen solch ärmlichen Denunziantenlohn würde Kahane vermutlich nicht einmal mehr aufstehen. Schließlich geht es mittlerweile um millionenschwere Futtertöpfe, die von staatlicher Hand Jahr für Jahr aufs neue gefüllt werden. Auch ihr Status im Staat ist mittlerweile ein ungleich höherer. Obgleich ihr Führungsoffizier laut dem Stasi-Experten Hubertus Knabe schon zu DDR-Zeiten ihre „ausgeprägte positive Haltung zu den Sicherheitsorganen“ lobend hervorhob, gilt sie heute als verläßliches Schild und Schwert im „Kampf gegen Rechts“. Nur ist sie eben längst kein kleines Rädchen im Getriebe mehr, dem zudem der Ruf des spitzelnden Anschwärzens anhaftet, vielmehr gilt sie als eine anerkannte Expertin zur Verteidigung von Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit gegen die reaktionären Feinde des Fortschritts.

Doch der Fall Kahane zeigt auch, wie sehr der Gesinnungstotalitarismus hierzulande immer weiter um sich greift. Wer hätte es vor ein paar Jahren für möglich gehalten, daß die Bundesregierung beim Kampf gegen sogenannte, nicht selten regierungskritische „Hate Speech“ mit einer ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeiterin der Stasi zusammenarbeitet? Daß eine demokratische Regierung ausgerechnet bei einer so sensiblen Aufgabe so wenig Fingerspitzengefühl beweist? Doch auch der treuäugigste Musterdemokrat am Kabinettstisch Merkel ist eben immer für eine Überraschung gut. 

Daß dies im Fall Kahane weitgehend reibungslos und ohne große Empörung gelingt, liegt auch daran, daß sie und ihre Stiftung alle noch so gut belegten Vorwürfe als plumpe rechte oder antisemitisch motivierte Haßkampagne abtun und dabei von zahlreichen Medien tatkräftig unterstützt werden. Und auch wenn der Vorwurf des Antisemitismus oder Rechtsextremismus bei ihren schärfsten Kritikern wie dem Publizisten Henryk M. Broder nicht verfängt, hat die Methode Erfolg. Aktionen wie „Kein Geld für Rechts“ galoppieren auf dem von Kahane gut zugerittenen Gaul der Politischen Korrektheit durchs Netz, um liberal-konservative Autoren und Weblogs bis an den Rand der sozialen Existenzvernichtung und darüber hinaus zu treiben. So ist Kahane die ideale Erfüllungsgehilfin einer Regierung, die hinter berechtigter Kritik gern selbst das Gespenst der reaktionären Konterrevolution wittert.