© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Der preußische Stil
Nachruf: Der ehemalige Bankier und Museumsgründer Ehrhardt Bödecker ist im Alter von 91 Jahren verstorben / Seine Leidenschaft galt Brandenburg-Preußen
Peter Möller

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Irrtum. Ein Museum für die einstige europäische Großmacht Preußen in einem nur 1.146 Einwohner zählenden Nest in Brandenburg nordwestlich von Berlin. Doch Ehrhardt Bödecker war es ernst mit seinem 2000 im brandenburgischen Wustrau eröffneten Museum. Und die ungewöhnliche Ortswahl war kein Versehen, sondern eine bewußte Entscheidung. Halbe Sachen waren mit dem 1925 im sächsischen Zwickau geborenen Bödecker nicht zu machen. Schon gar nicht, wenn es um Preußen ging.

Ursprünglich sollte das Museum, mit dem der Jurist und erfolgreiche Bankmanager Preußen aus der Rolle des Prügelknaben der deutschen Geschichte befreien wollte, in Berlin-Spandau untergebracht werden. Doch der Berliner Senat machte die notwendige Zustimmung zu dem Projekt von der Prüfung des Museumskonzeptes durch eine Kommission abhängig. 

Das Vorhaben des eigenwilligen Bankiers, aus Privatinitiative ein Museum auf die Beine zu stellen, um Preußen einer Bilanz zu unterziehen, war der Berliner Verwaltung suspekt – und wurde als unkalkulierbares Risiko angesehen. Doch Bödecker ließ sich keine Steine in den Weg legen. Er kehrte der einstigen preußischen Metropole Berlin, in die er mit seinen Eltern Mitte der dreißiger Jahre übergesiedelt war, den Rücken und zog mit seinem Museum aufs Land – um der Sache willen. Inhaltliche Kompromisse wollte der Historiker aus Neigung, der mehrere Bücher zum Thema verfaßt hat, um keinen Preis eingehen.

Für seinen Lebenstraum, in den er aus seinem Privatvermögen mehrere Millionen Euro investierte, errichtete Bödecker in Wustrau eigens einen Museumsneubau. Auch hier machte er keine halben Sachen: Das massive Gebäude wirkt so solide und zeitlos, daß es gut und gerne auch als renovierter Altbau durchgehen könnte. Auf 350 Quadratmetern zeigt das Museum, das mittlerweile zu den meistbesuchten Häusern seiner Art in Brandenburg zählt, mit zahlreichen von Bödecker zusammengetragenen Exponaten einen Abriß der Geschichte Brandenburg-Preußens: von der Belehnung der Hohenzollern mit der Mark Brandenburg 1415 bis hin zum Ende des Ersten Weltkrieges und der Abdankung Kaiser Wilhelms II. als König von Preußen. Bödecker kam es bei der Konzeption der Dauerausstellung darauf an, die bleibenden Verdienste und die Modernität des vielfach geschmähten Staates herauszustellen. Kritiker warfen ihm dagegen erwartungsgemäß vor, er habe kritische Aspekte der preußischen Geschichte bewußt ausgeblendet.

Preußen blieb für Bödecker bis zuletzt das Richtmaß. In einem offenen Brief mahnte er noch 2011 in Zeitungsanzeigen, die er wiederum aus eigener Tasche bezahlte, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble angesichts der ausufernden Staatsverschuldung und der Euro-Rettungspolitik mit Verweis auf Friedrich den Großen zu Sparsamkeit. „Geschichtliche Kenntnisse sind die Grundlage politischer Klugheit“, zitierte er in diesem Zusammenhang in einem Interview mit der JF den Juristen und Philosophen Christian Thomasius.  Am Nikolaustag ist Ehrhardt Bödecker im Alter von 91 Jahren gestorben.