© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Zäher Widerstand in den Alpen
Skiindustrie: Während die US-Firmen in China produzieren, setzen deutsche und österreichische Unternehmen weiter zumeist auf heimische Fertigung
Verena Inauen

Skifahrn ist das „Leiwandste, wos ma si nur vurstöll’n ko“ (das Schönste, das man sich nur vorstellen kann), sang Wolfgang Ambros. Daß seine Strophen 40 Jahre später sogar von chinesischen Skihütten tönen, glaubte die österreichische Austropop-Legende damals wohl nicht. Geschuldet ist dieser Umstand aber weniger dem ohne Zweifel großen musikalischen Einfallsreichtum von Ambros als vielmehr den 2022 stattfindenden Olympischen Winterspielen in Peking.

Seit der Bekanntgabe des Austragungsortes brach am chinesischen Markt eine regelrechte Goldgräberstimmung aus. Während bereits in der Vergangenheit ganze Dörfer wie etwa Hallstatt originalgetreu in China wieder aufgebaut wurden, soll nun die österreichische Skiindustrie dran glauben. Wissen und Know-how aus den Alpen reichen den Veranstaltern im Reich der Mitte aber nicht. Sie klopften bereits bei diversen heimischen Skiproduzenten an und wollten gleich das ganze Unternehmen aufkaufen, berichtet der Geschäftsführer von Fischer Sports und Sprecher der österreichischen Skiindustrie, Franz Föttinger, gegenüber dem Sender Ö1.

Die Hälfte der importierten Ski ist „Made in China“

Für chinesische Investoren ist nichts so abwegig, als daß man es nicht zumindest versuchen könnte. Ein solcher Versuch trug 2014 Früchte, als asiatische Unternehmer Anteile des Skigebietes Gaissau-Hintersee erwarben und im Gegenzug einen Einblick in die Abläufe und das Organisieren von Wintersportveranstaltungen erhielten. Und das ist bei fünf Millionen aktiven Wintersportlern in ganz China dringend notwendig, wenn die Ausfallquote, also die Zahl jener Chinesen, die den Sport nach einigen Versuchen wieder aufgeben, nicht noch weiter steigen soll. Im Gegenteil, möchte die Volksrepublik bis zum Jahr 2022 300 Millionen Menschen – ein Fünftel der Bevölkerung – davon überzeugen, daß Skifahren das „Leiwandste“ ist. Vor allem bei der Ausrüstung und Technik bestehe ein enormer Nachholbedarf, so Föttinger. Er habe das Angebot wie viele weitere Produzenten aber dankend abgelehnt. Die besten heimischen Produkte sollten schließlich auch in heimischer Hand bleiben. 

In Deutschland ist schon über die Hälfte der importierten Ski „Made in China“. Doch auf den Brettern oder Snowboards stehen keine chinesischen Phantasie-, sondern klangvolle Namen wie „K2“ (Seattle) oder „Völkl“ (Bayern). Beide gehören seit diesem Jahr zum US-Konzern Newell Brands, aber immerhin fertigt Völkl zumindest den Großteil seiner Ski noch in seiner modernen Fabrik in Straubing. K2 – Pionier der Fiberglas-Technologie – bietet nur noch China-Ware an. 2001 wurde die gesamte Produktion von Vashon Island (Bundesstaat Washington) nach Kanton in Südchina verlegt.

Das möchte man weder im ober-österreichischen Ried im Innkreis, dem Firmensitz von Fischer, oder dem Salzburger Land, wo etwa Atomic oder Blizzard produzieren, in Kauf nehmen. Vielmehr boten die Skiproduzenten den chinesischen Markteinsteigern für eine entsprechende Entlohnung und damit einem Gewinn für Österreich, ihre Hilfestellung an. Angefangen von Ausbildungstips der Skilehrer, die zur Motivation ihrer Schüler das gewisse Etwas an Charme mitbringen müßten, bis hin zur Hüttenkultur und Produktion der Winterbretter.

Eine hohe Exportrate von derzeit etwa 80 Prozent seien österreichische Firmen wie Fischer, Head, Atomic oder Blizzard zwar gewöhnt, mit der Erschließung des chinesischen Marktes könnte sich der Absatz aber nochmals deutlich steigern. Die aktuell 3,3 Millionen verkauften Paar Skischuhe und drei Millionen Paar Skier aus Österreich sollten darum schon mit der beginnenden Wintersaison nach oben korrigiert werden.

Der Geschäftsführer der Salzburger Chipkartenfirma Axess, welche Zutrittssysteme für Skigebiete verkauft, Oliver Suter, habe in den vergangenen Jahren bereits drei große Aufträge aus Asien erhalten. Verträge für Skilifte und Schneekanonen lassen weitere Branchenvertreter jubeln. Damit sich der Wintersport auch langfristig in den chinesischen Bergen etabliert, werden sogar staatsnahe Betriebe dazu angehalten, in die wachsende Branche zu investieren. Wie so oft könnte China dadurch auch in diesem Sektor Nordamerika den Rang der stärksten Abnehmerregion streitig machen.

Anders als Rußland, wo nach den Winterspielen 2014 in Sotschi der Ansturm auf Langlaufski, Snowboards oder Carvingbretter ausblieb. Grund dafür ist die staatliche Förderung russischer Produzenten, um den Import zu minimieren. Anders als Wolfgang Ambros, der in seinem Lied „Skifohrn“ am liebsten ins Tiroler Stubaital oder nach Zell am See fuhr, könnten die Chinesen auch diese Strophen demnächst abkupfern und Skifahren zum „Leiwandsten“ erklären, das sich ein Mensch vorstellen kann.

Weitergehende Informationen zur Skiindustrie der Wirtschaftskammer Österreich:  www.wko.at/