© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Zeitschriftenkritik: Stimmen der Zeit
Es fehlt eine christliche Vision
Werner Olles

Offensichtlich hat ein großer Teil unserer kirchlichen Würdenträger das Abendland bereits aufgegeben. Eine christliche Vision für Europa ist von ihnen kaum noch zu erwarten. Wer daran zweifelt, werfe einen Blick in die aktuelle Ausgabe (Heft 12, Dezember 2016) der Zeitschrift Stimmen der Zeit. Im Editorial macht Chefredakteur Andreas R. Batlogg SJ am Beispiel der „Flüchtlingstragödie“ deutlich, daß man politische Verantwortungslosigkeit, hunderttausendfachen Rechtsbruch, den Import von ethnischen Konflikten, Zustände wie die Silvesternacht in Köln und die Verwechslung von Gastfreundschaft mit Selbstbedienungsmentalität offenbar auch mit „Menschlichkeit“ übersetzen kann. Wenn dann noch die Geburt Jesu „theologisch gesprochen“ mit Merkels „Wir schaffen das“ ausgedeutet wird, bleibt einem als Leser angesichts solch theologischer Schaumschlägerei die Spucke weg. Die Außerkraftsetzung des Rechtsstaats, die Hofberichterstattung staatlich alimentierter Medien und eine Asyl- und Flüchtlingspolitik, die vor ihren katastrophalen Folgen die Augen verschließt, kritiklos hinzunehmen, erwartet man allenfalls von irrealen linken Utopisten, jedoch nicht von Redakteuren einer christlichen Zeitschrift. Immerhin erscheint Stimmen der Zeit im 141. Jahrgang und sollte mithin über die Erfahrung verfügen, daß „Willkommenkultur“ nicht automatisch „politisch ausformulierte Nächstenliebe“ bedeutet, sondern auch als ideologische Gesinnungsethik, krankhaftes Helfersyndrom, Hypermoral und Zerstörung der eigenen Identität gelesen werden kann.

Ungetrübt setzt sich dieser Trend fort in Klaus von Stoschs Beitrag „Warum Christen den Koran lesen sollten“, in dem der Professor für Systematische Theologie „Wege zu tieferem Verständnis“ aufzeigen möchte. Abgesehen von dem ermüdenden Gender-Kauderwelsch („Theologinnen und Theologen“, „Christinnen und Christen“) zeigt sich hier eine gefährliche Unterschätzung der zahlreichen Haß-Botschaften, die der Koran birgt, und auf die sich gewalttätige Mohammedaner jederzeit berufen können. Fragen nach der Christenverfolgung, dem ungezügelten Judenhaß, der Demokratiefähigkeit des Islam und den zahllosen Unterschieden zu unserem Rechtsverständnis werden folglich auch nicht gestellt.

Amüsiert liest man den „Streifzug durch die Prosa des Jahres 2016“, in dem Sigrid Löffler, unbedarfte Literaturkritikerin, Martin Mosebach („mittelmäßig“) sowie die islamkritischen Bücher Michel Houellebecqs („mangelnde differenzierte Argumentation“) und des algerischen Schriftsteller Boualem Sansal („grober Keil“) abkanzelt. Löfflers Beschreibung der „mannigfaltigen Inspirationen, die der Westen den reichen Kulturen des Orients zu verdanken hat, in der Musik, der Literatur, der Architektur und der Wissenschaft, ganz zu schweigen von allen sinnlichen Bereicherungen, von der Erotik bis zum Drogenkonsum“ erinnert an Klein-Mädchen-Schwärmerei auf politisch-korrektem Niveau.

Kontakt: Herder Verlag, Hermann-Herder-Str. 4, 79104 Freiburg. Das Einzelheft kostet 12 Euro, ein Halbjahresabo 69,90 Euro. 

 www.stimmen-der-zeit.de