© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Turmbau zu Potsdam
Rekonstruktion: Der Wiederaufbau der Garnisonkirche rückt näher
Peter Möller

Die Liste der architektonischen Rekonstruktionen der vergangenen zwanzig Jahre in Deutschland ist lang. Von den Schlössern in Braunschweig, Potsdam, Berlin und Herrenhausen über Teile der Altstadt von Frankfurt am Main bis hin zur Dresdner Frauenkirche. Doch um keinen Wiederaufbau wurde so lange und so erbittert gerungen wie um die Rekonstruktion der 1730 bis 1735 unter König Friedrich Wilhelm I. errichtete Potsdamer Garnisonkirche.

Einst war der Bau für die Stadt genauso bedeutend wie Schloß Sanssouci. In der vergangenen Woche wurde nun bekannt, daß die hinter dem Wiederaufbauprojekt stehende Stiftung erste Ausschreibungen für die Rekonstruktion des 88 Meter hohen Turms vorbereitet. Im Oktober 2017, pünktlich zum 500. Jahrestag der Reformation, soll der erste Spatenstich erfolgen. Damit findet ein jahrelanges Ringen sein vorläufiges Ende.

Zur Erinnerung: Bereits im April 2005 war der symbolische Grundstein für die Wiedererrichtung des im April 1945 bei einem alliierten Luftangriff auf Potsdam ausgebrannten und 1968 vom SED-Regime abgerissenen Gotteshauses gelegt worden (JF 17/05). Unter anderem im Beisein des damaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) sowie des Chefs des Hauses Hohenzollern, Prinz Georg Friedrich von Preußen. Schon damals nicht mehr mit dabei: der frühere Bundeswehroffizier Max Klaar, der eigentliche Initiator des Wiederaufbaus der Kirche. Er und sein Verein Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) hatten sich im Streit um die künftige Nutzung und Ausrichtung des Bauwerks zurückgezogen. Bis zu dahin hatte die TPG Spenden in Höhe von 6,7 Millionen Euro gesammelt. Klaar schwebte die originalgetreue Rekonstruktion des Gebäudes und ihre Nutzung als Kirche vor. Doch von seiten der Stadt Potsdam und aus den Reihen der Amtskirche war mit Blick auf die Rolle der Garnisonkirche beim sogenannten „Tag von Potsdam“ 1933 ein „Versöhnungszentrum“ in dem Bau ins Spiel gebracht worden. Das wollte Klaar, der sich seit 1984 erst für das berühmte Glockenspiel der Garnisonkirche und nach der Wiedervereinigung schließlich für den Wiederaufbau engagiert hatte, nicht mittragen. Er warnte unter anderem vor einem „zeitgeistigen, polit-historischen Mißbrauch der Garnisonkirche zur Volkspädagogik“. Von seinen Gegnern wurde er im Gegenzug als reaktionärer Militarist geschmäht. 

Die von Klaar gesammelten Spenden kamen nach seinem Rückzug größtenteils anderen Bauwerken der preußischen Geschichte zugute. In der Zwischenzeit drohte der Wideraufbau der Kirche trotz Grundsteinlegung immer wieder zu scheitern. Neben Problemen bei der Finanzierung verhinderte der hinhaltende Widerstand aus Teilen der Evangelischen Kirche und der Stadt gegen das angebliche Symbol des preußischen „Militarismus“ einen Beginn der Bauarbeiten.

Doch auch wenn nun der Turmbau in greifbare Nähe gerückt ist, ist der Kampf um die Kirche noch nicht beendet. Dabei besteht an der architektonischen Bedeutung des Baus, der als ein Hauptwerk des Barocks in Preußen gilt, kein Zweifel. Denn obwohl die Grundsatzentscheidung mittlerweile gefallen ist und auch schon bauliche Vorbereitungen wie die teilweise erfolgte Verlegung der Breiten Straße getroffen wurden, gibt es immer noch Versuche, das Projekt zu torpedieren.

Immer noch Versuche, das Projekt zu verhindern

Besonders raffiniert nahm zuletzt die unter ihrem Bischof Markus Dröge immer stärker politisierte Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Einfluß auf den Bau. Die Kirche gewährte der Stiftung ein dringend benötigtes Darlehen in Höhe von fünf Millionen Euro allein unter der Bedingung, daß der zunächst zurückgestellte Bau des Kirchenschiffs nicht in der originalgetreuen Form erfolgen dürfe. Damit solle der „Bruch“ der Geschichte symbolisiert werden.

Dennoch ist die finanzielle Lage der Wiederaufbau-Stiftung immer noch angespannt. Der nun ins Auge gefaßte Baubeginn ist daher eher ein Notprogramm nach dem Motto: Hauptsache, wir fangen irgendwann einmal an. Denn die bereits 2013 erteilte Baugenehmigung läuft 2019 ab. Die Ziele sind daher fürs erste bescheiden. Zunächst soll für rund 26 Millionen Euro nur das Grundgerüst des einstmals stadtbildprägenden Turms inklusive Aussichtsplattform errichtet werden – aber ohne barocke Schmuckfassade, Verzierungen und ohne die charakteristische Turmhaube.

Daß ab dem kommenden Jahr nun eine dauerhafte Bauruine in den Himmel über Potsdam wächst, weist die Stiftung aber von sich. „Dort entsteht keine Anmutung einer Bauruine, wir werden bis zur vollendeten Schönheit durchbauen“, gibt sich Stiftungssprecher Wieland Eschenburg überzeugt. Wie beim Berliner Stadtschloß hat die Stiftung einen Katalog erstellt, in dem einzelne Ziegel und Fassadenteile „gekauft“ werden können. Das Kalkül der Stiftung: Wenn der Turm erst einmal in die Höhe wächst, werden auch die Spenden fließen. Eine Hoffnung, die in Potsdam, wo gerade unter viel Beifall der durch den Software-Unternehmer Hasso Plattner finanzierte Wiederaufbau des barocken Palais Barberini am Alten Markt vollendet wurde, nicht ganz unrealistisch ist.