© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Den Stecker ziehen
Jörg Meuthen

Die massive Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem wird immer vernehmlicher. Und sie ist vielschichtig: Die inhaltliche Ausrichtung, die von den Nachrichtenmachern vorgenommene Relevanzdefinition von Inhalten – die vor ihrer Aussendung häufig einer politisch motivierten Selektion unterliegen –, die Zusammensetzung der Medienräte und eine damit einhergehende Befangenheit öffentlich-rechtlicher Medien, sowie vor allem der zwangsweise „Rundfunkbeitrag“ sorgen weitläufig für erheblichen Unmut bei vielen Bürgern. So gerät der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer mehr unter einen Legitimierungsdruck. Einen Druck, dem er zugleich immer weniger standhält. Das hat Gründe.

Vor Jahrzehnten, in den Gründungsjahren von ARD, ZDF und DLF, hatte die Ausstrahlung von Fernseh- und Rundfunksendungen zunächst den Charakter eines reinen öffentlichen Gutes, das privat aus einer Reihe von Gründen gar nicht angeboten werden konnte. Die heute über die Möglichkeit zu Codierung und Decodierung – siehe Bezahlfernsehkanäle wie Sky – längst überwundene Nichtausschließbarkeit im Konsum verhinderte das Zustandekommen eines privaten Angebots ebenso wie prohibitiv hohe Marktzutrittskosten. Ein öffentlich-rechtliches Angebot lag zu damaliger Zeit nahe. Auch der – heute längst nicht mehr überzeugend zu verteidigende – Bildungs- und Informationsauftrag ließ sich zu damaliger Zeit durchaus noch begründen. Und so wurde der Rundfunk unter die Regie des Staates gestellt, um ein grundlegendes Bildungs- und Informationsangebot zu garantieren, das vor allem die Bereiche Politik, Kunst und Kultur abdecken und einen Meinungspluralismus gewährleisten sollte. 

Gegenwärtig kann von einem Marktversagen keine Rede mehr sein. Die technologische Entwicklung wie auch andere Finanzierungsformen haben ein breites privates Angebot an Rundfunkprogrammen etabliert, das alle Behauptungen eines fortbestehenden Marktversagens Lügen straft. Die finanziellen Anforderungen zum Betreiben von Rundfunk- und TV-Kanälen sind stark gesunken und die Markteintrittsbarrieren inzwischen relativ gering. Allein in Deutschland gibt es rund 400 TV-Programme. Zudem vielfältige Video-on-Demand-Angebote und vor allem das Internet.

Nie war die Angebotspalette breiter und die Meinungsvielfalt größer. Weder zu Informations- noch zu Bildungszwecken bedarf es heute mehr eines öffentlich-rechtlichen Programmangebots. Es gibt schlichtweg keine einzige Information, die wir nicht auch von privaten Medien – seien es Fernsehkanäle, Radiosender, Printmedien oder Internet­seiten – erfahren könnten. Kurzum: Ein Marktversagen im Rundfunksektor, das es früher tatsächlich gegeben hat, ist Geschichte. Im Bereich des Rundfunks muß heute kein Marktversagen mehr vom Staat korrigiert werden.

Entsprechend wäre es folgerichtig, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Angebot auf ein Minimum reduzieren oder sogar gänzlich einstellen würde. Stattdessen passiert genau das Gegenteil: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk expandiert immer weiter: Er umfaßt mittlerweile über 20 Fernsehkanäle und fast 70 Radiosender, die rund um die Uhr senden. Der herausragende Wettbewerbs-Ökonom Justus Haucap beschreibt diese Absurdität wie folgt: „Das ist ungefähr so, als ob man als Reaktion auf das Ende des Kalten Krieges eine vehemente Aufrüstung der Bundeswehr betrieben hätte.“

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk rüstet, obwohl seine Nutzerzahlen kontinuierlich sinken, tatsächlich auf, und das nicht zu knapp: Seit der völlig absurden Umstellung auf eine nutzungsunabhängige Haushaltszwangsabgabe – oftmals dreist-euphemistisch „Demokratieabgabe“ genannt – wird jeder Haushalt, unabhängig davon, ob in ihm überhaupt öffentlich-rechtliche Medien konsumiert werden, dazu gezwungen, jährlich 210 Euro an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu entrichten.

Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der seinen originären Prinzipien kaum noch nachkommt: Von Staatsferne, Unabhängigkeit, journalistischer Ausgewogenheit, Objektivität und einem Meinungspluralismus ist immer weniger

zu spüren.

Für eine Leistung, die man womöglich gar nicht in Anspruch nimmt und dies vielleicht aus durchaus guten Gründen auch gar nicht wünscht, ist das ziemlich viel Geld. Zahlt man dieses Geld nicht, wird aus der „Demokratieabgabe“ schnell ein Freiheitsentzug: Die Causa Baumert machte bundesweit Schlagzeilen. Sieglinde Baumert weigerte sich, die Rundfunkgebühr zu zahlen, weshalb sie schließlich für 61 Tage inhaftiert wurde.

 Beim Eintreiben von Geldern ist der Beitragsservice der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nun einmal rigoros. Und erfolgreich: Im Jahre 2014 nahmen sie etwa 8,3 Milliarden Euro ein, Tendenz steigend. Damit hat Deutschland den weltweit teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der jedoch seinen originären Prinzipien kaum noch nachkommt: Von Staatsferne, Unabhängigkeit, journalistischer Ausgewogenheit, Objektivität und einem Meinungspluralismus ist immer weniger zu spüren. Seine Kontrollpflichten gegenüber der Legislative, der Exekutive und der Judikative nimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk kaum noch wahr. Anstatt deren Korrektiv zu sein, verkommt er mehr und mehr zu deren politischem Sprachrohr, oder zu deren politischer Schweigemauer – je nachdem, wie es politisch gerade erwünscht ist. 

Als Knut der Eisbär starb, war das für die Medienschaffenden dieser Republik ein Ereignis von überregionaler Relevanz, über das ausführlich berichtet wurde. Über die brutale Vergewaltigung und Ermordung der 19jährigen Studentin Maria L., mutmaßlich durch einen 17jährigen Migranten aus Afghanistan, wurde hingegen aufgrund vorgeblich nur „regionaler Bedeutung“ des Vorfalls zunächst kaum berichtet. Und als es im Zuge der Neujahrsnacht in vielen deutschen Städten massenhaft zu sexuellen Übergriffen durch zumeist aus dem arabischen Raum stammende Männer kam, versuchte der öffentlich-rechtliche Rundfunk dies still und heimlich totzuschweigen – auch das war, so das vorgegaukelte Credo der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenmacher, nur von „regionaler Bedeutung“.

Tatsächlich ist es nicht hinnehmbar, Verbrechen wie in Freiburg oder Köln  und in anderen deutschen Städten lediglich eine regionale Relevanz beizumessen, denn sie stehen selbstverständlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der völlig verantwortungslosen Politik der offenen Grenzen (und stellen keineswegs nur Einzelfälle dar). 

Das spüren auch die Menschen, die wollen, daß über derlei Ereignisse berichtet wird. Und es mutet seltsam an, daß die gewünschte Berichterstattung in den privaten Medien und sogar im Ausland durchaus erfolgt, nur eben kaum oder nur auf erheblichen Druck und stark zeitverzögert im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hierzulande.

Bittere gesellschaftliche Realitäten zu verschweigen, nur weil die Berichterstattung politisch nicht gewollt wird, funktioniert im Zeitalter des Internets und des Aufstiegs vielfältiger privater Informationsangebote nicht mehr. Da können die öffentlich-rechtlichen Medien so viel tricksen, täuschen oder schweigen, wie sie wollen. Sie haben im Laufe der Zeit sukzessive die Macht verloren, autonom und selbstherrlich vorzugeben, was relevant ist und was nicht. Sie versuchen es dennoch – und scheitern daran immer grandioser, wie man es in den vergangenen Monaten verstärkt beobachten konnte. Die Relevanzdefinition nimmt heute nicht mehr der Teleprompterableser in den schmucken, zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Nachrichtenstudios vor, sondern der mündige Bürger.

Und dennoch: Trotz eines kontinuierlichen Konsumentenschwunds im Zuge des Vormarsches privater Informationskanäle erzielen die öffentlich-rechtlichen Medien immer noch Reichweiten in Millionenhöhe und üben einen entsprechenden Einfluß auf die Meinungsbildung aus. Einen Einfluß, auf den die Rundfunkräte, die zu etwa einem Drittel aus Vertretern der etablierten Parteien und zu einem beträchtlichen Teil aus einem geschickt zusammengestellten Konglomerat von establishmentnahen Interessenvertretern bestehen, nur ungern verzichten: Denn neben der Möglichkeit der Einflußnahme auf die Berichterstattung gibt es auch noch ein nettes, nahezu leistungsloses Taschengeld für die Rundfunkratsmitglieder. Ein Taschengeld, welches von den Zwangsbeitragszahlern finanziert wird, die im übrigen im Rundfunkrat keine Vertretung haben. Wenn man dann noch bedenkt, daß die öffentlich-rechtlichen Medien von einkommensschwächeren Haushalten verhältnismäßig wenig konsumiert werden, wird sofort ersichtlich, daß hier überdies auch noch eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet. Der Aufschrei der ansonsten ständig nach „sozialer Gerechtigkeit“ schreienden Parteien bleibt hier dennoch – wie kommt das nur? – aus.

Natürlich würde ein vom öffentlich-rechtlichen Komplex befreiter Rundfunkmarkt nicht bloß anspruchsvolles Programm anbieten, aber eben auch nicht bloß anspruchsloses, wie es von den Verfechtern der Öffentlich-Rechtlichen allzu gern suggeriert wird. 

Vielmehr wird die Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach wie vor mit der Programmqualität, die durch ihn scheinbar gewährleistet wird, begründet. Würde man den Rundfunk ausschließlich privaten Akteuren überlassen, so würden diese überwiegend anspruchslose Volksverblödungsformate übertragen, so das Credo der Apologeten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch wäre das wirklich der Fall? Wohl kaum! Hierzu ein Gedankenexperiment, das auch schon der Ökonom Stefan Kooths vorgenommen hat: Angenommen, man würde eine der sogenannten Qualitätszeitungen, etwa die Frankfurter Allgemeine, verstaatlichen, über Zwangsbeiträge finanzieren und allen Haushalten tagtäglich ungefragt zukommen lassen – was würde passieren? Die Konkurrenz, bestehend etwa aus der Welt, der Zeit, der Süddeutschen, würde binnen kürzester Zeit vom Markt verschwinden oder bestenfalls als Nischenprodukt enden, so daß es am Ende heißen würde: „Qualität kann nur der Staat!“

Wir würden in einem solch hypothetischen Fall im Printmedienmarkt genau dasselbe Phänomen erleben, das uns heute schon aus dem Rundfunk bekannt ist. Kooths führt aus: „Solange ARD und ZDF nach dem jetzigen Finanzierungsmodell betrieben werden, ist der Wettbewerb für private Anbieter massiv verzerrt. Eine Sendung wie die Tagesthemen privat zu produzieren, bleibt solange schwierig, wie staatliche Sender dieses Format ausstrahlen, ohne daß man der Finanzierung ausweichen kann.“

Die Behauptung, private Sender produzierten quasi automatisch nur oder zumindest überwiegend Trash-TV-Formate, während Qualitätsfernsehen und -hörfunk nun einmal nur mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten machbar seien, ist so erstens zu simpel gedacht und entspricht zweitens jedenfalls kaum mehr dem Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Anstalten, das sich zu weitesten Teilen längst ebenfalls der reinen – bildungs- und informationsfernen – Unterhaltungsindustrie verschrieben hat. 

Natürlich würde ein vom öffentlich-rechtlichen Komplex befreiter Rundfunkmarkt nicht bloß anspruchsvolles Programm anbieten, aber eben auch nicht bloß anspruchsloses, wie es von den Verfechtern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks allzu gern suggeriert wird. Wer einen Zeitungskiosk betritt, erkennt sofort die Vielfalt der verschiedenen Printmedien, von denen manche niveauvoller, andere wiederum schlichter sind. Es ist für jeden etwas dabei. Das wäre in einem freien Rundfunkmarkt nicht anders. In einem freien Printmedienmarkt, so wie wir ihn kennen, käme doch – hoffentlich! – niemand auf die Idee, ein Printmedium zu verstaatlichen und die Menschen dazu zu zwingen, es zu finanzieren. Denn Menschen dazu zu zwingen, für etwas zu zahlen, das sie womöglich gar nicht konsumieren wollen, widerspricht den Grundsätzen einer freien Gesellschaft. 

Es ist evident: In einer freiheitlichen Gesellschaft, die dieses Attribut wirklich verdient, ist nicht die Abschaffung von Zwang – hier: in Form der zwangsweisen Erhebung von Rundfunkgebühren – zu begründen, sondern stets die Ausübung von Zwang. Wie man es auch dreht und wendet, gibt es hierfür aus heutiger Sicht keinen Grund mehr. Die rein rechtspositivistische Rechtfertigung über einen vermeintlichen Informations- und Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entbehrt heute der dafür zwingend notwendigen normativen Grundlage. 

ARD, ZDF, DLF und Co. stellen deshalb aus heutiger Sicht einen Anachronismus dar. Wer – aus welchen Gründen auch immer – Wert auf den Fortbestand dieses Programmangebots legt, soll das wie jedes andere Gut selbst bezahlen, aber nicht andere, die darauf keinen Wert legen, zwangsweise in Mitzahlungshaftung nehmen. Es wird höchste Zeit, den Grundsatz der Freiheitlichkeit auch auf den Rundfunkmarkt zu übertragen. Mit anderen Worten: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat ausgedient. Dies gilt jedenfalls in der derzeit noch bestehenden zwangsweisen und nicht mehr begründbaren Finanzierungsform. Ziehen wir ihm den Stecker.






Prof. Dr. Jörg Meuthen, Jahrgang 1961, ist einer von zwei Bundessprechern der Alternative für Deutschland (AfD) und einer von drei Landessprechern der AfD Baden-Württemberg. Im Stuttgarter Landtag führt er die AfD- Fraktion. Sein Amt als Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Hochschule Kehl ruht während seiner Landtagszugehörigkeit.

Foto: GEZ-Haushaltszwangsabgabe: Oftmals dreist-euphemistisch „Demokratie-abgabe“ genannt