© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Zu Unrecht auf Karl May vertraut
Die kurze Existenz und das ruhmlose Ende der albanischen Waffen-SS-Gebirgsdivision „Skanderbeg“
Konrad Faber

Anfang 1945 beendete die 21. Waffen-Gebirgsdivision der SS „Skanderbeg“ ihre kurze und ruhmlose Existenz. Sie war das Produkt eines interkulturellen Mißverständnisses. Über den Balkan, vor allem über Albanien, war im nationalsozialistischen Deutschland vor 1941 wenig bekannt. Wie die Verfasserin einer soeben erschienenen Geschichte der Division „Skanderbeg“ belegt, schöpfte man in Deutschland das Wissen über Albanien vorrangig aus den Werken von Karl May. In Büchern wie „Durch das Land der Skipetaren“ wurden die Albaner als „edle Wilde“ beschrieben, als treu, mutig und voller Kampfeslust. 

Kein Wunder also, daß seit dem Abfall Italiens als deutscher Verbündeter 1943 in den Kreisen um Heinrich Himmler der Gedanke auftauchte, jenes scheinbar so vorzügliche albanische Menschenmaterial auf dem Balkan in deutschem Interesse auszunutzen. Hierbei schreckten Himmler nicht einmal die negativen Erfahrungen ab, die man bei Aufstellung der 13. Waffen-Gebirgsdivision der SS „Handschar“ machte, welche aus muslimischen Bosniern bestand, die vergeblich an die Leistungen der einstigen muslimischen k. u. k. Bosniakenregimenter anzuknüpfen suchten. 

Nachdem man nach dem Ausfall des italienischen Verbündeten vom deutsch besetzten Nordkosovo aus nunmehr ganz „Großalbanien“ unter Kontrolle nahm, schritt man ab Mai 1944 zur Aufstellung einer Waffen-SS-Division, welche aus muslimischen Albanern unter Leitung von deutschem Rahmenpersonal bestehen sollte. Die Albaner wurden vorrangig aus dem Kosovo, nicht etwa aus dem eigentlichen Albanien rekrutiert, wozu unterschiedlichste ethnische und politische Mißhelligkeiten und Widersprüche beitrugen. 

Schnell wurde dem frisch ernannten Divisionskommandeur August Schmidhuber und seinen Ausbildern klar, daß Karl May bezüglich der „kampflustigen Albaner“ ein sehr irreales, romantisierendes Trugbild verbreitet hatte. Für die albanischen „Freiwilligen“, die man eher durch von Stammesoberen erpreßte Einberufungen und durch „Marktplatzwerbung“ gewann, standen trotz abgelegten Fahneneids natürlich die Interessen ihres Clans bzw. ihrer Großfamilie an erster Stelle. Die Disziplinlosigkeiten und die hohe Desertionsrate waren für die deutschen Ausbilder haarsträubend. 

Zumal fand sich kaum geeignetes Ausbilderpersonal, was bei den in der Division üblichen Kommandosprachen Albanisch und Serbisch kaum verwundert. Hinzu kam der schlechte Ausrüstungsstand, denn man verfügte zumeist nur über italienische Handfeuerwaffen mit wenig Munition. Schwere Waffen waren kaum vorhanden, so daß die Division „Skanderbeg“, benannt nach einem albanischen Nationalhelden aus den Osmanenkriegen im 15. Jahrhundert, nie aus mehr als zwei Infanterieregimentern ohne Artillerie und Spezialtruppen bestand, obwohl man die Aufstellung solcher Einheiten vorgesehen hatte. 

Das deutsche Führungspersonal setzte sich neben dem aus Bayern stammenden Divisionskommandeur Schmidhuber, hingerichtet 1947 in Belgrad, zumeist aus „Ostmärkern“ und Volksdeutschen zusammen, denen man wenigstens eine Minimalkompetenz bezüglich des Balkan zubilligte. Daneben fanden sich bei der Division „Skanderbeg“ Exoten, wie etwa der Hauptsturmführer (Hauptmann) Knapp, vormals Schweizer Offizier, oder der albanische Hauptsturmführer Thela Decg. Er entstammte einer albanisch-österreichischen Ehe und diente dem Divisionskommando als Dolmetscher. 

Deutsche berauschten sich an Wunschbildern

Bei der Ausbildung hatten die deutschen Ausbilder viele, ihnen bislang unbekannte multikulturelle Besonderheiten zu beachten. So tranken die muslimischen Albaner keinen Alkohol, zeigten sich Diebstählen nicht abgeneigt, galten als bemerkenswert humorlos und legten großen Wert auf die Einhaltung des Ramadan. In den relativ wenigen Gefechten, welche Einheiten der Division gegen die militärisch gut organisierten Tito-Partisanen bestritten, verpufften alle Hoffnungen auf die Leistungsfähigkeit albanischer Soldaten. 

Gemäß den Erfahrungsberichten deutscher Vorgesetzter sollen die Soldaten gegenüber Artilleriefeuer ungeheuer anfällig gewesen sein. Sie hockten dann hinter Mauern, schossen senkrecht in die Luft, und mitunter wurde beobachtet, daß sie mit innerlich beschmutzen Hosen aus dem Gefecht heimkehrten. Letzteres kam aber im Zweiten Weltkrieg bei fast allen Armeen vor und wurde später auch bei amerikanischen Soldaten im Vietnamkrieg und bei sowjetischen Soldaten in Afghanistan auffällig. 

Man hatte sich bei der Aufstellung jenes muslimischen Waffen-SS-Verbandes deutscherseits an Wunschbildern berauscht. Man nahm einfach nicht zur Kenntnis, daß die ihren traditionellen Claninteressen verpflichteten Albaner Realpolitik trieben, indem sie zuerst die Italiener, danach die Deutschen und noch später die Alliierten als Gönner und Verbündete gewannen. Bemerkenswert ist die politisch unkorrekte Frage von Verfasserin Franziska Zaugg zu Ende des Buches, ob manche der im Balkankrieg vorkommenden Grausamkeiten (inklusive Pfählen und Häuten) nicht vielleicht auf einer sehr spezifischen, lokal bedingten Gewaltaffinität beruhen.

Franziska A. Zaugg: Albanische Muslime in der Waffen-SS. Von „Großalbanien“ zur Division „Skanderbeg“. Schöningh Verlag, Paderborn 2016, gebunden, 346 Seiten, Abbildungen, 39,90 Euro