© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Angst, Drohungen, Gewalt
„Wir wissen, wo du wohnst!“ Der Amateurfußball ist zum Schlachtfeld geworden
Heiko Urbanzyk

Es weht ein rauher Wind durch die Amateurligen der Fußballrepublik. „Fußball & Gewalt“ als untrennbare Einheit, das besangen schon Mitte der achtziger Jahre die Böhsen Onkelz: „Samstag mittag Stadionzeit / Schnaps und Bier, wir machen uns bereit.“ Feindbild damals: „der Gegner“, der vor dem Stadion erwartet wurde – und der brave deutsche Hooligan wartete bis zur „dritten Halbzeit“ immerhin noch den Ausgang des Spiels ab.

Gegner heute: der Schiedsrichter. Bereits im Herbst 2015 prangerten ehrenamtliche Schiedsrichter des Hamburger Fußball-Verbandes in einem offenen Brandbrief den respektlosen Umgang mit ihnen an: „In einigen Fällen werden wir beleidigt, bedroht oder gar körperlich attackiert.“

Das Zauberwort lautet „Spielabbruch“. Nun bringen Schiedsrichter selten ihren eigenen Schlägertrupp mit, um sich gewaltbereiter „Fans“ und Spieler auf dem Rasen zu erwehren. Ein Signal der Hilflosigkeit sandte Ende November der Fußballkreis Essen im Ruhrpott aus. Zu Spielen der Mannschaften Barisspor I, Juspo Altenessen II und zur A-Jugend der SpVgg Steele 03/09 wurden keine Schiedsrichter geschickt. „Leider ist es zuletzt zu massiven Ausschreitungen gegen Schiedsrichter gekommen“, sagte Kreisvorsitzender Thorsten Flügel den Medien. Bei größeren Vorfällen im Jahr 2015 sei einem Unparteiischen der Kiefer gebrochen worden. Nach einem Jahr Ruhe mußten dann allein im November dieses Jahres vier Spiele abgebrochen werden. Niemand habe die Schiris auf dem Platz verteidigt.

„Jeder, der sich auch nur annähernd mit dem Amateurfußball ein wenig auskennt, weiß, welche Art Mannschaften mit Gewalt und Straftaten auffallen. Und das fast jede Woche!“, kommentieren Fußballfreunde im Internet die Berichterstattung. „Sagen darf man das nicht immer so laut. Und im Fußballverband sitzen alte Herren, die das alles immer noch nicht so recht glauben mögen.“ Ähnlich äußert sich Amateur-Funktionär Flügel. In der Westdeutschen Zeitung gab er zu verstehen, DFB-Offizielle aus Frankfurt oder Berlin müßten diese Probleme eigentlich kennen. Ein anderer Fußballexperte in den Kommentarspalten zu den angesprochenen Essener Amateurclubs: „Mannschaftsfoto im Netz ansehen, alles klar.“

Ja, manchmal hilft nur der eigene recherchierende Blick ins Internet, um herauszufinden, wer die gewaltgeneigten Gruppen stellt. Da war noch im November dieses Spiel der Kreisliga A Kreis Moers zwischen dem TuS Xanten und TuS Asterlagen. Xanten gewann 2:1. „Gästespieler“ und der von den Asterlager Verlierern gestellte Schiedsrichter-Assistent bedrängten den Schiri derart, daß dieser nur unter Ordnerschutz in die Kabine entkam. Kein einziger Trainer oder Spieler aus Duisburg-Asterlagen ist auch nur dem Namen nach Herkunftsdeutscher. Fupa.net verrät wohl, daß Mustafa, Tayfun, Abdülhamit, Serkan, Ahmet usw. ihr Temperament aus anderen Kulturräumen ererbt haben dürften. Die von den Asterlagern gewalttätig runtergebutterten Xantener bestechen durch deutsche Langeweile: Jens, Lothar, Stefan, Lutz, Jan ... Der Pawel und der Ogün fallen dazwischen nicht auf. „Ich hatte Angst“, sagte der bedrohte Schiri Josef Ledda in Der Westen.

Der mitgebrachte Schiri-Assistent sei der Aggressivste gewesen: „Wir wissen, wo du wohnst“, soll er ihm neben massiven Beleidigungen zugerufen haben. Der Schiedsrichter-Obmann des Kreises Moers, Jakob Klos, berichtet: „Es ist leider nicht der erste Fall dieser Art in der laufenden Saison.“ Die Entwicklung sei „bedenklich“. Erst Ende Oktober sei ein Jung-Schiedsrichter in der A-Jugend während des Spieles gewürgt worden. In zwei weiteren Altherren-Spielen wurden die Schiris bespuckt. Klos zeigt fast schon Verständnis, es sei „ja ein gesellschaftliches Problem, daß die Hemmschwelle sinkt“. Wie bitte?

Kommentatoren unter derartigen Berichten im Internet werden da wie gewohnt deutlicher, als es zum Beispiel um Fan-Ausschreitungen der Hamburger Vereine FC Elazim Spor und Dersimspor e. V. ging. „Das Problem ist alt und bekannt, und jeder weiß auch, um welche Mannschaften es sich handelt und welche Fans dahinter extrem auffallend sind.“ Ein anderer ärgert sich: „Na ja, damit müssen die Schiedsrichter dann eben leben. Aus den Vereinen ausgeschlossen werden nur deutsche Neonazis.“