© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/16-01/17 23. Dezember / 30. Dezember 2016

„Schatz, kannst du meine Mama anrufen?“
Spiegelbild der Gesellschaft: Fernsehwerbung dient immer mehr auch politischen Ideologien
Wolfgang Kaufmann

Vor 75 Jahren strahlte der US-Sender WNBT den ersten Fernsehwerbespot der Geschichte aus; damals ging es um Reklame für einen Uhrenhersteller. Anderthalb Jahrzehnte später, Ende 1956, zog das deutsche Fernsehen in Gestalt des Bayerischen Rundfunks nach – beginnend damit, daß Liesl Karlstadt und Beppo Brem die Vorzüge von „Persil“ priesen. Seither sind Werbeunterbrechungen fester Bestandteil des TV-Programms hierzulande. So wurden 2015 3,8 Millionen entsprechende Spots ausgestrahlt, die den Sendern 4,42 Milliarden Euro in die Kassen spülten. In diesem Jahr sollen 4,53 Milliarden fließen. Das wäre die siebte Steigerung in Folge, was kaum verwundert, da mittlerweile bis zu 80.000 Euro für eine halbe Minute anfallen.

Dabei war und ist die Fernsehwerbung stets Spiegelbild der Gesellschaft. Das wird deutlich, wenn man bestimmte inhaltliche Tendenzen der Spots betrachtet, also weder wegschaut noch den Kanal wechselt, wie das mindestens ein Viertel der Zuschauer tut. Während es zur Zeit des Wirtschaftswunders vor allem darum ging, den Hausfrauen Hinweise auf neue Produkte zu geben, die ihnen die Arbeit erleichtern sollten, trat späterhin das Kreieren von Images oder Suggerieren künstlicher Bedürfnisse an die Stelle der hausbacken vermittelten Sachinformationen. Zu diesem Trend kommt nun aber neuerdings noch ein zweiter: in dem Maße, wie sich die Bundesrepublik in einen auf politische Korrektheit pochenden „Nanny-Staat“ verwandelt, soll Werbung offenbar auch der subtilen oder brachialen Umerziehung der Bürger dienen.

Ein Beispiel hierfür ist das permanente herabwürdigende Vorführen des heterosexuellen weißen Mannes, während Frauen immer „taffer“ daherkommen. Die mit Gender-Ideologemen aufgeladenen Spots, in denen die Herren der Schöpfung als albern gekleidete Witzfiguren, infantile Versager, schwitzende Schwächlinge oder einfach nur Dummköpfe auftreten, sind Legion: „Männer und Technik!“, stöhnt die genervte, „hippe“ Blondine mit den raspelkurzen Haaren in der RTL-Eigenwerbung, weil ihr Lebensabschnittsgefährte nicht sofort den einzig wahren Sender findet. „Schatz, kannst du meine Mama anrufen?!“, jammert ein adipöser Mittvierziger mit „Männerschnupfen“, woraufhin ihm seine Gattin voll abgrundtiefer Verachtung etwas „Wick MediNait“ hinwirft, nach dessen Einnahme der bärtige Quälgeist mit unvorteilhaft entblößter Wampe hinwegschlummert.

Im Gegensatz dazu nehmen sich Mütter niemals frei, wenn sie erkältet sind – sagt zumindest die ebenso manipulative „DuoGrippal“-Reklame von Wick. Der Vorstand der 08/15-Bank wiederum besteht aus lauter debilen Anzugträgern, denen man eigentlich keinen einzigen Cent anvertrauen sollte, aber zum Glück rettet die Quotenfrau in der Runde ja den Laden vor dem Ruin (Reklame für die Sparkassen). Nicht auszudenken, wenn weibliche Wesen auf ähnliche Weise karikiert werden würden! Dann hätte die Europäische Union ihre Pläne hinsichtlich des Verbots diskriminierender Werbung längst in die Realität umgesetzt. Aber hier geht es ja nur gegen Männer ...

Wobei manche von diesen dann doch besser wegkommen – sofern sie beispielsweise zum potentiellen Gespielen einer parshippenden Tablet-Besitzerin taugen, die während ihrer Yoga-Übungen hoffnungsfroh darauf wartet, daß sie nun mit dem Verlieben im 11-Minuten-Takt an der Reihe ist. Ebenso sind natürlich auch sämtliche Flüchtlinge männlichen Geschlechts tabu, wenn es ums Verächtlichmachen geht. Ganz im Gegenteil: in den unzählig oft ausgestrahlten Werbespots der Unternehmerinitiative „Wir zusammen“ wimmelt es nur so von sympathischen und dazu auch noch blendend aussehenden syrischen Chemikanten, iranischen Computer-Experten und pakistanischen Virtuosen an der Werkzeugmaschine – Ikonen der schönen neuen Welt der Globalisierungsgewinnler, auf deren perpetuummobilehafte Präsentation die Zuschauer freilich zunehmend mit Hohn und Spott reagieren. Sofern sie das Auftauchen eines weiteren Vorzeigemigranten und potentiellen Rentensystemsanierers auf ihrem Bildschirm nicht gleich mit konsequentem Ab- oder Umschalten quittieren.

Grassierende Verhunzung der deutschen Sprache

Und dann wäre da noch die grassierende Sprachverhunzung, welche die Frage aufwirft, ob sie lediglich der bereits stattgefundenen intellektuellen Regression der Konsumentenschaft Rechnung tragen oder diese um ein weiteres Stück forcieren soll, um den kritischen Geist der potentiellen Käufer endgültig zu paralysieren, was dann nebenher auch Auswirkungen auf deren politische Analysefähigkeit hätte. „Soo! muß Technik“, belehrt uns beispielsweise die Elektrowarenkette Saturn voll plärriger Penetranz, wobei die für diesen Slogan verantwortlichen Werbefachleute der Agentur Scholz & Friends vielleicht sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollten. Denn die sinnentleerte Floskel könnte ja parallel als Hommage an die grammatikalischen Gepflogenheiten jener Migranten-Klientel gedacht gewesen sein, welche uns das Kulturgut „Kiezdeutsch“ beschert. 

Auf jeden Fall hat die TV-Werbung ein Niveau erreicht, bei dem sich unweigerlich Vergleiche mit dem Dritten Reich aufdrängen. Damals gab es zwar im ersten regelmäßig sendenden „Fernseh-Rundfunk“ der Welt noch keine Reklamespots, aber dafür wurde das Anpreisen von Produkten in den anderen Medien ebenfalls mit offener oder verdeckter Propaganda im Dienste der Herrschenden verknüpft – akribisch geregelt durch das Gesetz über die Wirtschaftswerbung vom 12. September 1933.

Andererseits dürfte das aber kaum der Grund für die Distanz mancher Unternehmer gegenüber der „Wir zusammen“-Initiative des Internet-Milliardärs Ralph Dommermuth sein. Vielmehr dämmert diesen „Wirtschaftskapitänen“ wohl langsam: Wenn sich der mündige Bürger in den Werbepausen nicht mehr nur genervt, sondern zusätzlich auch noch politisch indoktriniert fühlt, wird er die Fernsehspots irgendwann komplett ignorieren oder gar anfangen, bestimmte „kompromittierte“ Marken negativ wahrzunehmen. Und dann wären die ganzen Gelder, die an die Sender gehen, schlichtweg aus dem Fenster geworfen.