© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Ländersache
Auf Treu und Glauben
Martina Meckelein

Jedem Flüchtling stehen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz pro Monat 135 Euro Taschengeld und 216 Euro für den persönlichen Bedarf zu. Macht zusammen rund 350 Euro. Dieses Geld holen sich die Asylbewerber unter Vorlage ihres vorläufigen Ausweises an der Rathauskasse ab. Einige Asylbewerber entwickelten daraus ein kriminelles Geschäftsmodell.

Flüchtlinge ließen sich in der Landesaufnahmebehörde (LAB) Braunschweig unter verschiedenen Namen mehrfach registrieren. Dies war möglich, weil durch die große Zahl der Eingereisten in den beiden vergangenen Jahren bei der Registrierung nach dem Motto „Treu und Glauben“ und nicht „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“ verfahren worden ist. Es wurden bei der Identitätsfeststellung keine Fingerabdrücke genommen. Genau diese Unterlassung nutzten einige Flüchtlinge aus.

Die Asylbewerber gingen bei der Herstellung ihrer Aliasidentitäten einfallsreich vor: Schon bei der ersten Registrierung gaben sie meist einen Phantasienamen und ein falsches Geburtsdatum an. Zudem behaupteten sie, keine Ausweisdokumente zu besitzen. Unter dem falschen Namen, dem ausgedachten Geburtsdatum, falschem Wohnort und Nationalität wurden sie registriert und bekamen einen auf diesen falschen Angaben beruhenden vorläufigen Ausweis. 

Anschließend wurden die Flüchtlinge auf die verschiedenen Kommunen Niedersachsens verteilt. Der erste Gang zum Rathaus – die ersten 350 Euro.

Nun veränderten sie ihr Aussehen, ließen sich Bärte wachsen oder rasierten diese ab. Wieder ging es zur LAB. Wieder gaben sie an, keine Dokumente zu besitzen. Wieder wurden sie nur fotografiert und unter der Nennung eines weiteren erfundenen Namens und einer angeblichen Nationalität registriert. Wieder vorläufige Ausweise. Wieder wurden sie auf die Kommunen verteilt. Wieder gab es 350 Euro. Um an das Geld zu kommen, mußten die Flüchtlinge nur einmal im Monat zur Auszahlungsstelle der jeweiligen Gemeinde, den Ausweis mit der passend dazugehörigen erfundenen Identität vorlegen und kassieren.

Irgendwann kamen den Mitarbeitern der Landesaufnahmebehörde die Klienten, die ihnen gerade gegenübersaßen, doch irgendwie bekannt vor. Sie waren sich sicher, einige schon einmal registriert zu haben. Die LAB schaltete die Sonderkommission „Zentrale Ermittlungen zur Flüchtlingskriminalität“ ein. Die Polizisten ermittelten 300 Fälle, in denen die Flüchtlinge, meist Schwarzafrikaner, sich drei bis vier Aliasnamen zugelegt hatten. In einem Fall kassierte ein Flüchtling mit zwölf verschiedenen Identitäten rund 4.200 Euro netto im Monat.

Braunschweigs Kripo-Chef Ulf Küch  (JF 12/16) wirft in der Braunschweiger Zeitung dem Bund Fahrlässigkeit vor, weil der die Aufnahmestellen nicht mit Fingerabduckscannern ausgerüstet hatte. Der Mißbrauch sei daher absehbar gewesen. Küchs Vorschlag außerdem: Während des Verfahrens sollte es kein Geld geben, sondern nur Naturalien. Betrüger würden so nicht angelockt.

Strafrechtliche Konsequenzen werden die Ermittlungen wohl kaum haben. Den Asylbewerbern sind weder Vorladungen noch Anklagen zuzustellen. Ihre echten Adressen sind schließlich unbekannt. Allerdings werden Flüchtlinge seitens der Behörde jetzt gebeten, auch nachträglich, Fingerabdrücke abzugeben.