© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

„Unvereinbar mit der Liebe zu unserem Land“
Merkel-Kritiker: Eine Veranstaltung mit Hans-Peter Friedrich und Arnold Vaatz zum Thema Leitkultur sorgte in Sachsen für reges Interesse
Hinrich Rohbohm

Das dürfte Angela Merkel ganz sicher nicht gefallen haben. Nach ihrer Abstimmungsniederlage in bezug auf die Forderung nach einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen hagelt es weiter Kritik am Linkskurs der Kanzlerin. 

„Leitkultur heute!?“ lautete eigentlich das Thema, zu dem die Konrad-Adenauer-Stiftung in die Dreikönigskirche von Dresden geladen hatte. Die Redner des Abends: der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der einstige sächsische Staatsminister und DDR-Bürgerrechtler Arnold Vaatz. Beide fungieren als stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Und beide gelten als scharfe Kritiker Angela Merkels. 

„Nicht den Rechts- oder Linksfaschisten überlassen“

Ein Umstand, der für reges Interesse sorgt. Knapp 300 Gäste sind im Sitzungssaal der Kirche erschienen. Darunter zahlreiche CDU-Mitglieder. Sie sollten nicht enttäuscht werden. Denn die Reden der beiden Referenten verbreiten einen lange in Vergessenheit geratenen christdemokratischen Stallgeruch. „Endlich mal Politiker in meiner Partei, die mir aus der Seele sprechen“, meint einer der Gäste im Anschluß an die Veranstaltung. 

Vor allem die deutlichen Worte zur Zuwanderungskrise und zu radikalen Islamisten treffen auf Zustimmung. „In dem Moment, wo eine Religion politischer Rechtsrahmen wird, hat sie in unserem Land nichts zu suchen. Wir können eine Paralleljustiz, egal aus welcher Religion sie sich ableitet, nicht akzeptieren“, stellt Friedrich unter dem Beifall der Zuhörer klar.  Und: „Konflikte, die von außen in unser Land getragen werden, sind mit unserer Liebe zu unserem Land nicht vereinbar.“ Dabei sei Patriotismus nichts Negatives, sondern eine „Form der Verantwortung“.

Zudem dürfe es nicht sein, daß „Kulturen, die eigentlich nichts mit uns zu tun haben wollen, Menschen bei uns instrumentalisieren, um ihre Kämpfe hier auszutragen.“ Er habe deshalb in seiner Zeit als Innenminister vehement dagegen gekämpft, daß die doppelte Staatsbürgerschaft zum Normalfall werde. 

Viele Menschen kämen nach Deutschland, „weil sie an unserem Wohlstand teilhaben wollen. Dann müssen sie aber auch unsere Leitkultur akzeptieren“, fordert der 59jährige. Viele Menschen hätten inzwischen wieder eine Sehnsucht nach Heimat und Werten. Eine Entwicklung, die die Union ernst nehmen müsse. „Wir würden einen großen Fehler machen, wenn wir diese Sehnsucht den Rechts- und Linksfaschisten überlassen.“ Einer EU-Mitgliedschaft der Türkei erteilte der CSU-Politiker eine klare Absage. „Wenn Sie Europa als Wertegemeinschaft ansehen, kann die Türkei gar nicht EU-Mitglied sein.“ 

Auch in Richtung Angela Merkel feuerte der Ex-Innenminister Spitzen ab. „Wir können unser moralisches Gebaren nicht zum Maßstab in Europa machen.“ Die quotenmäßige Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Länder werde nicht funktionieren. „Wer wie Ungarn lange Zeit unter Osmanenherrschaft gelebt hat, hat ein anderes Verhältnis dazu wie etwa jemand aus der Uckermark.“ Und: „Wir können unsere christlich-abendländische Kultur nicht verteidigen, indem wir an Weihnachten Flöte spielen.“ 

Auch Arnold Vaatz sparte nicht mit Kritik an der Kanzlerin. „Der Atomausstieg war ein grober Fehler“, erklärt er unter starkem Applaus. Auch Merkels Euro-Rettungspolitik sieht er kritisch. „Ich glaube nicht, daß die Eurokrise überwunden ist.“ Auch Merkels Angriff auf Thilo Sarrazin sieht er problematisch. Dieser sei „nicht ernst genommen“ worden, das sei ein Fehler gewesen. Aber: Nur alles auf die Bundeskanzlerin zu kaprizieren, halte er auch für falsch. „Wir alle sind mit dabei gewesen und haben Fehlentwicklungen nicht verhindert. Nicht die Politiker, nicht die Medien und auch nicht die Bürger.“

„Die ganze Gesellschaft    hat einen Augenschaden“

Auf die Frage eine Zuhörers, ob man in Deutschland angesichts der jüngsten linksextremen Gewaltausbrüche in Sachsen auf dem linken Auge blind sei, antwortet er: „Ich fürchte, die ganze Gesellschaft hat inzwischen einen Augenschaden.“ Als der linksliberale Journalist Theo Sommer 1998 von Leitkultur sprach, sei das für alle okay gewesen. Als es der „böse“ Friedrich Merz tat, habe es einen Aufschrei gegeben. „Soviel zu den Augen.“ 

Daß sich dringend etwas ändern müsse, meint auch Ulrich Link, der für die konservative Dresdner Initiative CDU-Kurswechsel mit auf dem Podium saß. Die jüngsten Wahlen seien für die CDU ein „Indikator“ gewesen. „Wenn eine Partei dauerhaft Wähler verliert, muß man sich Gedanken machen, wie man Vertrauen zurückgewinnen kann.“ 

Gemeinsam mit vier weiteren Mitstreitern möchte er daher innerhalb der Union zu einem Kurswechsel anregen. Bezeichnend: Als jemand davon spricht, er habe Angela Merkel zum Rücktritt aufgefordert, brandet vereinzelt Beifall auf.