© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Abschied eines politisch Angepaßten
Kai Diekmann: Als „Bild“-Chef verantwortet er hohe Auflagenverluste / Jetzt verläßt er Axel Springer mit unbekanntem Ziel
Ronald Berthold

Kai Diekmann steht für den größten Auflagenverlust der deutschen Pressegeschichte. Unter seiner Ägide als Chefredakteur verlor die Bild 2.406.751 Exemplare – knapp 60 Prozent. 

Nun wird der Mann, der das Boulevardblatt bis 2015 insgesamt 14 Jahre führte, zum 31. Januar auch den Axel-Springer-Verlag verlassen. Trotz seiner verheerenden Bilanz scheint das Bedauern in dem Medienhaus über sein Ausscheiden echt zu sein. Verlagschef Mathias Döpfner hält dem 52jährigen Erfolge bei der Digitalisierung zugute. Wer ist der Mann, der über die wohl größte Zeitungsmacht Deutschlands verfügte? Er suchte massiv die bis dahin tabuisierte Nähe zur Politik. Daß er Altkanzler Helmut Kohl 2002 zu seinem Trauzeugen machte, riß eine symbolische Trennmauer ein. Diekmann gehörte auch zum Vorstand der proamerikanischen Atlantik-Brücke und ließ sich dort sogar zum „Young Leader“ ausbilden.

Der vierfache Vater ist Reserveoffizier und seit seiner Wehrdienstzeit mit Unterbrechung Mitglied der schlagenden Burschenschaft Franconia Münster. Gegen den Mainstream gerichtet kommt auch sein 2007 veröffentlichtes Buch „Der große Selbstbetrug“ daher. Er schreibt darin: „Meine Worte sind nicht mit der Goldwaage gewogen, meine Sätze nicht abgestimmt mit den politisch Korrekten im Land. Es ist eine Attacke ohne Rücksichten.“

Doch Diekmann ging stets nur so weit, wie er glaubte, daß es ihm nutzen könnte. Als es um die Politische Korrektheit in seiner Zeitung ging, nahm er viele Rücksichten. Im Juli 2014 distanzierte er sich scharf und ungewöhnlich illoyal von seinem Stellvertreter Nicolaus Fest, der den Islam in einem Kommentar als „Integrationshindernis“ bezeichnet hatte. Er unterstellte seinem Kollegen öffentlich, „sich gegen Millionen und Milliarden Menschen, die in überwältigender Mehrheit friedlich leben“, zu stellen: „Genau solche Auseinandersetzung entlang religiöser Grenzen wollen wir NICHT. Wir wollen sie nicht führen, nicht befördern und nicht herbeischreiben. Denn sie enden immer verheerend – das hat die Geschichte oft genug gezeigt!“ Fest verließ den Verlag kurz darauf.

Im Sommer vorigen Jahres vollzog Diekmann wie fast alle anderen Chefredakteure den Schulterschluß mit der Politik in der Flüchtlingskrise. Den alten linksradikalen Leitspruch „Refugees welcome“ erhob er zum Motto der Zeitung. Die Auflage sank in dieser Zeit um zweistellige Prozentwerte.