© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Ein besonderer Herrenduft
Ein Kulturgut kehrt zurück: Wie man den Zeitgeist sprichwörtlich in der Pfeife rauchen kann
Bernd Rademacher

Ein Retro-Trend jagt den nächsten: Schallplatten, Swingtanz, Fahrrad-Oldtimer, Vollbärte – alle wieder da! Ein beinahe ausgestorbenes Kulturgut mit größtem Comeback-Potential könnte bald ebenfalls eine Wiederauferstehung erleben: das Pfeifenrauchen! Warum nicht? Das Image als Oppas Rotzkocher trägt die Tabakspfeife zu Unrecht. Pfeifeschmöken ist cool, wirkt intellektuell und – Achtung, Achtung! – attraktiv maskulin.

Eine Pfeife wirkt kernig, bedachtsam und erfahren

Vorbilder gibt es genug, literarische wie reale. Zum Beispiel den kultig-karierten Comic-Detektiv Nick Knatterton, Sherlock Holmes und Käpten Haddock. Sowie Van Gogh, Tolkien, Einstein, „Monty Python“-Mitglied Graham Chapman, Helmut Kohl … zugegeben: letzterer ist kein Hipster. Dennoch: Die Pfeife, aus der sich langsam blaue Schwaden emporkräuseln, ist nicht von ungefähr das Attribut des alten Seebären. Eine Pfeife wirkt ebenso kernig wie bedachtsam und erfahren. Man denke an Lukas den Lokomotivführer.

Als Pfeifenraucher könnte man sich zum Beispiel Wiglaf Droste, Metallica-Sänger James Hetfield oder George Clooney vorstellen. Ein Milchgesicht wie LeFloid mit Pfeife? – kein Gedanke! „A man who smokes pipe is ripe“, sagt ein englisches Sprichwort.

Die klassische Pfeife bietet zudem unendliche Möglichkeiten für modernes Design: Pfeifenkopf mit Totenkopf … Ebenso wie das typische dreiteilige Pfeifenbesteck aus Stopfer, Räumer und Dorn, das der urbane Pfeifen-Homie sicher bald als stylisches Accessoire an der verchromten Kette am Gürtel trägt.

Wo das persönliche Rauchopfer an sich schon ein subversiver Akt gegen staatliche Bevormundung und Verbotswahn ist, hat Pfeifenrauch den Vorteil, daß er nicht so stinkt wie Zigarettenqualm oder schwere Zigarren.

Der süßlich-aromatische Duft ist in meinem olfaktorischen Gedächtnis eingemeißelt: In der Wohnung eines Schulfreundes roch es stets nach „Mac Baren Scottish Mixture“ aus den Wurzelholzpfeifen seines Vaters. Erste Nachahmungsversuche mit den Tonpfeifen der Stutenkerle (norddeutsches Hefeteig-Männchen zur Adventszeit, in Süddeutschland Weckmann) endeten mit Arbeitsverweigerung des Verdauungstraktes und Schwindel.

So richtig populär war die Pfeife zuletzt in den 1970ern. Ein Werbespruch wurde damals zum geflügelten Alltagswort: „Drei Dinge braucht der Mann!“ ... nämlich laut Reklame „Feuer, Pfeife, Stanwell“, wobei letzteres eine Marke für Pfeifentabak war. Bat der Fernsehjournalist Werner Höfer zum „Internationalen Frühschoppen“ im WDR – Deutschlands erster Talkshow! –, rauchten Pfeifen und Fluppen im Studio derart, daß die TV-Zuschauer nur noch eine Nebelwand auf dem Bildschirm erblickten. Seitdem prägte nur noch der bräsige Günter Grass das Bild des Pfeifenrauchers.

Zeit, das zu ändern und einem weiteren Werbespruch von damals neues Leben einzuhauchen: „Junger Mann, fang’ das Pfeiferauchen an!“ Nein, wir halten definitiv keine Aktien von Tabakkonzernen, und zur Beruhigung für Gesundheitsapostel: Pfeifenraucher machen es wie Ex-US-Präsident Bill Clinton, der mit dem Verdacht des Marihuana-Konsums konfrontiert sagte: „Ich habe gezogen, aber nicht inhaliert.“

Wer Pfeife rauchen will, muß wissen, was er tut: Die Welt der Pfeifentabake ist ebenso vielfältig wie die des Weins oder Whiskys. Pfeife rauchen erfordert Technik, Übung und Geschick. Es gibt verschiedenste Pfeifenmodelle für jeden Anlaß. Ein ganzes Universum, das viel Platz für männlichen Spieltrieb läßt – und soziale Statussymbolik. Zudem ist die Pfeife flexibel: Man kann sie entspannt in Ruhe genießen oder zwischendurch ausgehen lassen und später wieder anzünden. Ideal für stille Wintertage. Und das Beste: Den Zeitgeist kann man damit sprichwörtlich „in der Pfeife rauchen“.