© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/17 / 13. Januar 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Es wird frostig
Paul Rosen

Wenigstens Schnee war bei der Januar-Klausurtagung der CSU-Landesgruppe reichlich vorhanden. Das verlieh dem Tagungsort Kloster Seeon in Oberbayern immerhin einen Hauch von Kreuth. In dem berühmten Wildbad oberhalb des Tegernsees hatten die Christsozialen 1976 die Trennung vom CDU-Teil der Bundestagsfraktion beschlossen – nahmen den Beschluß aber wenige Wochen danach wieder zurück. Seitdem war Kreuth Symbol des Widerstandswillens der CSU gegen allzu viele Liebeserklärungen an den jeweiligen Zeitgeist durch die große Schwester. 

Dieser Widerstands- oder Selbstbehauptungswille kannte Höhen und Tiefen. Zur Zeit scheint er insbesondere durch die Forderung des Parteivorsitzenden Horst Seehofer nach einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen besonders stark ausgeprägt zu sein. Seehofer und seinen Leuten ist klar: Geben sie in Migrationsfragen nach, wird ihnen das erst bei der Bundestagswahl in diesem Jahr und – bedeutsamer – bei der Landtagswahl in Bayern 2018 auf die Füße fallen. Um keinen Preis soll sich wiederholen, was man nach Edmund Stoibers Sturz erlebte, als plötzlich und unerwartet die absolute Mehrheit im Landtag dahin war und die FDP ins Boot geholt werden mußte. Selten war Regieren für die CSU so unschön. 

Nicht alle „Berliner“ Christsozialen wollen einen so harten Kurs gegen die Schwesterpartei. Dies wurde zu Beginn der Klausur in Kloster Seeon deutlich, als Entwicklungshilfeminister Gerd Müller plötzlich statt von einer Obergrenze von einer „Richtgröße“ sprach.  Andere sprachen von einem „atmenden Deckel“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die CDU fühlte sich sogar mutig genug, rechtzeitig vor der CSU-Klausur zum Angriff überzugehen. Angespornt von Kanzlerin Angela Merkel legte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) einen Plan zur Zentralisierung der Verfassungsschutzämter vor. De Maizières Vorschläge würden „keine Mehrheit finden“, tobte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. 

Seehofer kann sich, und das ist für ihn ein großes Problem, auf die Berliner Landesgruppe nicht verlassen. Die Vorsitzende Gerda Hasselfeldt steht der Kanzlerin näher als dem CSU-Vorstand. Daraus macht sie auch kein Geheimnis, so daß Seehofer schon schwadronierte, der nächste CSU-Vorsitzende müsse seinen Amtssitz in Berlin nehmen. Das kann, muß aber nicht sein. 

Denn Hasselfeldt zieht sich mit der Bundestagswahl aufs Altenteil zurück. Favorit für ihre Nachfolge ist ein ausgesprochener Merkel-Gegner: Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der tapfer gegen die Kanzlerin und ihre Wahlkampfaussage („Mit mir wird es keine Maut geben“) vorging und in Sachen „Ausländermaut“ auf Autobahnen kurz vor dem Ziel steht.

Für Merkel sind die CSU-Entwicklungen ein riesiges Problem. Bisher besprach sie alles mit Hasselfeldt beim Tee und konnte es sich dann leisten, Seehofers Wünsche zu ignorieren. Teekränzchen mit Dobrindt, Scheuer oder dem bayerischen Finanzminister Markus Söder sind undenkbar. Egal wer nächster CSU-Chef oder Landesgruppenvorsitzender wird: Er wird gegen Merkels Politik sein.