© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/17 / 13. Januar 2017

Graue Wölfe vor Manhattan
Im Januar 1942 startete das Unternehmen Paukenschlag
Wolfgang Kaufmann

Nach der deutschen Kriegserklärung vom 11. Dezember 1941 hätte den Verantwortlichen in den Vereinigten Staaten klar sein müssen, daß Hitlers U-Boote nun auch den Schiffsverkehr entlang der US-Ostküste und im Golf vom Mexiko attackieren würden. Immerhin verfügte die Kriegsmarine zu diesem Zeitpunkt bereits über zwanzig Langstreckenboote vom Typ IX mit Reichweiten von bis zu 14.000 Seemeilen. 

Trotzdem handelte man wieder genauso zögerlich wie angesichts der Warnungen vor japanischen Angriffen auf Hawaii und tat – gar nichts. Weder erfolgte die dringend gebotene Zusammenfassung des Handelsschiffsverkehrs in Geleitzügen, noch bequemten sich die Militärs, irgendwelche Verdunkelungsmaßnahmen entlang der Küste anzuordnen: Auch Wochen nach Kriegsbeginn lief alles weiter wie im tiefsten Frieden. Deshalb erlebten die USA nun folgerichtig ihr zweites Pearl Harbor im Atlantik, wobei das Drama diesmal monatelang andauerte und doppelt so viele Menschenleben kostete wie der Angriff auf die Pazifikflotte.

Das erste Opfer war der Frachter „Cyclops“, der am 11. Januar 1942 südlich von Nova Scotia durch Torpedos von U 123 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Reinhard Hardegen versenkt wurde. Das Boot gehörte zu jenen fünf „Grauen Wölfen“, die im Rahmen der allerersten Welle des „Unternehmen Paukenschlag“ zum Einsatz kamen. Dabei stand es am Abend des 14. Januar direkt vor Long Island beziehungsweise Coney Island. Von hier aus konnte die U-123-Besatzung dann bei nächtlicher Überwasserfahrt die Lichter der Wolkenkratzer von Manhattan glitzern sehen. U 66 wiederum operierte östlich des Cape Hatteras und U 125 vor den Häfen von New Jersey. Dazu kamen noch U 130 und U 109, die entlang der kanadischen Küste auf die Jagd gingen.

Bis zum 6. Februar schickten diese fünf Boote 23 Schiffe mit 150.505 Bruttoregistertonnen (BRT) auf Grund. Als schließlich die USA im Juni 1942 zum Konvoisystem übergingen, hatte das unentschuldbare Hinauszögern dieses Schrittes schon zum Verlust von 397 Frachtern und Tankern mit über zwei Millionen BRT geführt sowie 5.000 Handelsschiffsmatrosen das Leben gekostet. Dagegen büßte die Kriegsmarine während des sechs Monate andauernden „Unternehmen Paukenschlag“ nur sieben U-Boote mit 302 Mann ein. Deshalb sprach der Befehlshaber der Unterseeboote, Karl Dönitz, hier zu Recht von einem außerordentlichen Erfolg. Das Blatt wendete sich faktisch erst im Mai 1943, als die US-Abwehr ihre nunmehrige technische Überlegenheit ausspielen konnte.