© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/17 / 13. Januar 2017

Das Eisen ist noch immer heiß
Zeigt her eure Hufe: Der Beruf des Hufschmieds vereint Tradition mit behutsamen Neuerungen
Bernd Rademacher

Die Pferde müssen von der Koppel in den Stall, denn heute kommt der Hufschmied. Ungefähr alle sechs bis acht Wochen ist ein neuer Beschlag fällig. Außerdem hat einer der beiden pensionierten Traber letzte Woche ein Hufeisen verloren. Also haken wir den Karabiner vom Führstrick am Halfter ein und bringen die beiden Wallache zum Hof. Die Hufe klappern auf dem Betonboden. Beide Kandidaten werden an den Ringen in der Stallwand angebunden.

Da knirscht schon der Transporter des Hufschmieds auf dem Hof. Hufschmied ist eigentlich nicht die korrekte Bezeichnung, es heißt Hufbeschlagschmied. 2007 wurde die Ausbildung in diesem Traditionsberuf völlig umgekrempelt. Früher war eine Ausbildung in einem Metallbetrieb Voraussetzung für die Weiterbildung in der Lehrschmiede. Heute reicht eine beliebige Ausbildung für die zweijährige sozialversicherungspflichtige Lehre bei einem staatlich geprüften Schmied, der die Tätigkeit seit mindestens drei Jahren hauptberuflich ausführt.

Dafür ist die Tätigkeit komplexer geworden: Der Hufschmied ist ein Pferde-Orthopäde, der Haltungsschäden korrigieren kann und die Therapie von Hufkrankheiten unterstützt. An Stelle des klassischen Hufeisens ist eine Fülle alternativer Materialien und Modelle getreten, beispielsweise Hufeisen aus Kunststoff, Hufschuhe etc. Dennoch ist es ein Beruf mit viel Geschichte, denn die Kelten kannten das Hufeisen schon vor 2.000 Jahren; die Römer schauten es sich von ihnen ab. Und seitdem hat sich die klassische Methode des Hufbeschlags kaum verändert: Wo das Horn des Hufes sich schneller abnutzt, als es wächst – also bei Pferden im Arbeits- oder Militäreinsatz –, wird ein Eisen unter den Huf genagelt.

Und dabei schauen wir jetzt zu: Der mobile Schmied wuchtet seinen gasbetriebenen Ofen aus dem Wagen. Im Innern der Werkstatt auf Rädern hängen die Hufeisen-Rohlinge in den Größen 8 bis 16, von Reitpferd bis Kaltblüter. Es gibt sie in Herz- oder Pilzform, offen und geschlossen. Wir wählen die klassische U-Form. Doch zunächst muß der Huf für das Beschlagen vorbereitet werden. Dazu stellt der Schmied den dreibeinigen Hufbock auf, auf dem das Pferdebein bei der Behandlung ruht. Das Pferd steht nun auch auf drei Beinen; würde es jetzt ausschlagen, würde es umfallen.

Es tut nicht weh, ist aber für Fluchttiere etwas aufregend

Nun wird der Huf mit der Hauklinge gekürzt und mit der Raspel zurechtgefeilt. Der Wallach kennt das schon und bleibt gelassen. Das richtige Eisen wird angepaßt. Dann kommt es ins Feuer. Der Schmied bringt das glühende U zur Anprobe. Dazu klemmt er den Pferdefuß rittlings zwischen seine Beine, die mit einer schweren Lederschürze geschützt sind. Beim Aufsetzen des roten Stahls auf den Huf kräuseln sich graugelbe Qualmwolken, die stinken wie alte Socken in Potenz. Ich tätschle dem Pferd beruhigend die Wangen. Es ist nicht schmerzhaft, aber für Fluchttiere etwas aufregend. Hier und da bringt der Schmied den glühenden Rohling mit kräftigen Hammerschlägen auf seinem Amboß in die individuelle Form, dann verschwindet das Eisen mit Zischen und Blubbern zum Abschrecken im Wasserbottich.

Auf der Unterseite des Hufes verläuft ein weißer Streifen. Exakt auf dieser Linie müssen die Aussparungen für die Hufnägel sitzen, denn hier verletzt der Nagel keine Gefäße oder Nerven. Das Aufnageln erfordert vom Schmied nicht nur Kraft, sondern auch eine ausgesprochen bandscheibenunfreundliche gebückte Haltung. Die austretenden Nagelspitzen werden mit der Spezialzange umgenietet – fertig, das war’s.

Das Hufschmied-Mobil rollt vom Hof, und die beiden Wallache wollen ihre neuen Schuhe ausprobieren. Also den Anbindeknoten gelöst und los geht’s. Unser Hufschmied hat noch einige hundert Kollegen in ganz Deutschland, die meisten sind im Ersten Deutschen Hufbeschlagschmiede-Verband e. V. (EDHV) organisiert. Wer sich für eine Ausbildung in diesem ebenso bodenständigen wie nicht alltäglichen Beruf interessiert, findet alle Informationen im Netz.