© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Eine Partei in der Agonie
Frankreich: Die Sozialistische Partei sucht einen Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl, doch der Schatten Hollandes ist groß
Jürgen Liminski

Es ist nur noch ein Tischfeuerwerk in Zeitlupe. Die Sozialistische Partei Frankreichs stiebt leise auseinander. Auch die zweite Fernsehrunde der sieben Aspiranten bei den Vorwahlen zur Bestimmung eines einzigen Kandidaten der Partei für die Präsidentschaftswahlen im April und Mai endete am Sonntag abend im allgemeinen Palaver und ohne wirklichen Sieger. Zwar holte nach Blitz-umfragen Ex-Premier Manuel Valls die meisten Stimmen, aber die Unterschiede sind gering. 

Darüber hinaus drehte sich die Diskussion im Kreis der alten Themen: Es müsse endlich Schluß sein mit der Sparpolitik, verlangte der frühere Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg; Europa sei nicht an allem schuld, tönte der frühere Bildungsminister Vincent Peillon; für mehr Großmut und Offenheit gegenüber der Not der Flüchtlinge sprach sich sein Nachfolger im Amt Benoît Hamon aus.

Gelegentlich erwähnt, doch ohne Präsenz waren die Themen Hollande und seine Bilanz sowie der Islam. Hollande selbst soll an diesem Abend im Theater gewesen sein, das Stück hieß: „Allein mit Euch“. Es war wie eine Anspielung auf seinen Wunsch, doch die Bilanz seiner fünf Regierungsjahre im Élysée allein vor den Franzosen zu verteidigen und um ein zweites Mandat zu bitten. Aber dieser Zug ist abgefahren.

 Die Frage ist, wen er von den sieben Kandidaten unterstützen wird. Nach Lage der Dinge wäre das nur Manuel Valls. Allerdings ist nicht sicher, ob er Valls auch gegenüber Emmanuel Macron seine Stimme gäbe. Man weiß eben nicht, wofür oder wogegen Hollande sich letztlich entscheidet, sein Wankelmut durchzog die Jahre im Élysée.

Viele Sozialisten wechseln zum Front National   

Macron tritt außerhalb der linken Vorwahlen an, ebenso der Linksaußen Jean Luc Mélenchon, der zu den Vorwahlen nur sagt: Die Sozialistische Partei täte besser daran, statt Kandidaten ihr Mea culpa vor den Franzosen zu präsentieren. 

Es ist durchaus möglich, daß der Kandidat der Sozialistischen Partei, die dank Mitterrand 1971 aus einem Vereinigungskongreß linker Formationen hervorgegangen ist, bei den Präsidentschaftswahlen nicht in die Stichwahl kommt. Zu sehr wird er mit der Bilanz und Politik Hollandes identifiziert werden. Keiner der sieben Anwärter traut sich auch, Hollande offen zu kritisieren.

 Sowohl Macron als auch Mélenchon werden den Gewinner aus den zwei Wahlgängen am kommenden Sonntag und eine Woche später aber in die Zange nehmen. Die Auseinandersetzung im linken Lager wird dann erst richtig losgehen. Nach allen Umfragen wird der Gewinner auf jeden Fall bei den Präsidentenwahlen hinter den beiden Kandidaten Macron und Mélenchon landen und somit das Ende der Sozialistischen Partei einläuten. Alle aber werden dann mit dem Finger auf Hollande als Totengräber der Partei zeigen.

Andere haben wegen Hollande der Partei schon den Rücken gekehrt. Die Aussteiger in der Regierungszeit Hollandes werden auf fast 40.000 geschätzt. Damit gäbe es weniger als hunderttausend zahlende Mitglieder – eine ehemalige Volkspartei in der Agonie. Die Motive lassen sich alle auf eins zurückführen: Enttäuschung. Sei es über das Arbeitsgesetz und die Angriffe auf die 35-Stunden-Woche, sei es über den Pakt mit den Unternehmerverbänden oder die Europa-Politik. Viele sind zu Mélenchon geflüchtet, andere zu Macron, die ihnen authentischer erscheinen. Nicht wenige Mitglieder aber und noch mehr Wähler sind in das Lager des Front National gewechselt, weil Marine Le Pen die Interessen der Arbeiter und „Zahnlosen“ schütze. So hatte Hollande intern Obdachlose und Arme verhöhnt, seine ehemalige Lebensgefährtin Valérie Trierweiler hatte es in ihrem Buch nach dem Bruch mit Hollande publik gemacht.