© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

DVD: Viele kamen vorbei
Brillante Bilder
Werner Olles

Es gibt Filme, die man nie vergißt, selbst wenn man sie vor sechs Jahrzehnten in einem kleinen, stickigen Vorstadtkino gesehen hat, die nie im Fernsehen liefen und wegen Problemen um die Rechte bislang auch nicht als DVD erschienen sind. Doch nun macht das Label „Filmjuwelen“ seinem Namen Ehre und präsentiert mit „Viele kamen vorbei“ ein solches Kleinod. Peter Pewas, ein ehemaliger Defa-Regisseur, der wegen der staatlichen Gängelung in den Westen wechselte, inszenierte den Film 1956. Gemeinsam mit dem großartigen Kameramann Klaus von Rautenfeld schuf er einen Film mit Einstellungen von bizarrer Schönheit und suggestiver Aussagekraft, der mehr über die fünfziger Jahre der Bundesrepublik aussagt als die meisten wissenschaftlichen Werke über Adenauers Jahrzehnt.

Die 15jährige Sabine (Frances Martin) und der gleichaltrige Jochen (Christian Doermer) sind seit ihrer Kindheit befreundet. Aber nun verbieten ihr die Eltern (Jane Tilden, Hans Hermann Schaufuß), mit dem Jungen in die Ferien zu fahren, denn in diesem Alter könne man ja nie wissen, was passiert. Doch das Mädchen reißt aus und will Jochen per Anhalter nachfahren. In einem Waldstück nahe der Autobahn haben sie sich verabredet. Just in dieser Gegend treibt seit Monaten ein Frauenmörder (Harald Maresch) sein Unwesen. Sabine steigt zunächst bei einem gutmütigen Fernfahrer ein, doch schon in der ersten Raststätte begegnet sie dem Triebtäter. In letzter Sekunde gelingt es der Polizei, ihn zu stellen. Von den Hunden gehetzt flüchtet der Mörder über die Autobahn …

„Viele kamen vorbei“ ist ein Film mit betörend expressiven Bildern, eine Symphonie der Nacht zwischen sexuellem Erwachen und Mordlust, der zugleich von naiven Verheißungen, kleinbürgerlichen Ängsten, tragischer Schwermut und Gefahren erzählt. Es gibt Szenen von optischer Brillanz, die einem den Atem rauben, Bildmontagen von der nächtlichen Autobahn, den nebelverhangenen Wäldern, den geschäftigen Raststätten, die von großer Gestaltungskraft zeugen. Das Drehbuch stammt von Pewas und Gerhard T. Buchholz, einem katholischen Autor, die vorzügliche Musik von Peter Sandloff. Robert Siodmak, nachdem er „Viele kamen vorbei“ gesehen hatte, zu Peter Pewas: „Was machen Sie nur für revolutionäre Bilder?“

DVD: Viele kamen vorbei. Filmjuwelen 2017, Laufzeit 85 Minuten