© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Angst vor dem Graben
Evangelische Theologie: Streit um Muslim-Mission
Hans Wirths

Die zweitgrößte evangelische Landeskirche Deutschlands erarbeitete 2015 ein Positionspapier, das sie an ihre Gemeinden verteilte. Diese „Arbeitshilfe“ mit dem Titel „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“ soll – so damals die Welt – zum Resultat gelangt sein, „Bekehrungsversuche gegenüber Reformmusli-men mit Nähe zum Christentum seien abzulehnen, es verwerfe Muslim-Mission schlechthin“. 

Spätestens seitdem diese Arbeitshilfe 2016 in zweiter Auflage erschienen ist, erntet sie internen Widerspruch. Als Beispiel mag der im Dezember 2016 erschienene Info-Brief des „Evangelischen Pfarrvereins im Rheinland“ dienen. Er wendet sich an seine eintausend Mitglieder, vorwiegend Pfarrer und Vikare. Im Editorial wird dargetan, daß die „Arbeitshilfe“ viele „Gemüter errege“ und Ulrich Eibach, Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, nimmt sodann – in einem wissenschaftlich fundierten Aufsatz – kritisch Stellung zu ihr. 

Der entscheidende Punkt sei, betont Eibach, ob die Kirchen Mission unter Muslimen betreiben dürfen mit der Zielsetzung, daß Muslime sich zum christlichen Glauben bekehren. Die Arbeitshilfe verneine dies und folge damit einem Beschluß der Evangelischen Kirche im Rheinland. In der Arbeitshilfe seien zudem „fast alle zwischen dem Christentum und Islam strittigen Punkte ausgeklammert. Es werde nur eine reduktionistische Auswahl von Inhalten beider Religionen vorgenommen; meist nur ethischer Art, die es so in den real gelebten Religionen, vor allem im Islam, nicht gebe“.

Ergänzend läßt er sich wie folgt ein: „Die eigentlichen Gründe für die Ablehnung der Mission (von Muslimen) sind aber nicht theologischer, sondern sozialpolitischer Art, es ist insbesondere die Sorge, daß durch eine Mission die Gräben zwischen Muslimen und Christen vertieft werden und so das Konfliktpotential vergrößert wird.“

Eibach fügt an, daß „die Ethik Jesu wohl kaum mit den Gesetzen des Islam in Einklang zu bringen sei. (...) Es sei unübersehbar, daß zwischen dem Gottesbild des Islam (nicht nur der Scharia, sondern auch des Korans) und dem christlichen Gottesbild kaum überbrückbare Gräben lägen.“ 

Und er gibt noch eine Mahnung mit auf den Weg: „Eine Kirche, die die Entscheidung fällt, nicht mehr in diesem Sinne unter Menschen aller Religionen missionarisch tätig zu sein, sollte sich bewußt sein, daß sie vor 2000 Jahren durch eben diese, dem sogenannten ‘Missionsbefehl’ folgende Mission entstanden ist.“