© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Knapp daneben
Humanisierung der Arbeitswelt
Karl Heinzen

Acht lange Jahre hat David Betke die Uniform der Bundeswehr getragen. Immerhin hat er die Zeit nicht bloß verplempert, sondern auch Qualifikationen für seinen späteren Beruf erwerben können. Als Mannschaftsdienstgrad ist es ihm in Fleisch und Blut übergegangen, gewissenhaft seine Aufgaben zu erfüllen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Spätestens im Afghanistan-Einsatz lernte er damit umzugehen, daß man mitunter auch fragwürdigen Zwecken zu dienen hat. Nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr durfte David Betke daher optimistisch in die Zukunft schauen. „Aktives Dienen“: Mit dieser Kompetenz müßte doch auch im Zivilleben etwas anzufangen sein. Als er dann auf einen Artikel über die Ausbildung zum Butler stieß, stand sein Entschluß fest. Er belegte einen Kurs an der Berufsfachschule Edumondi in Stade und machte sich dort mit allem vertraut, was man als Diener hochgestellter Persönlichkeiten beherrschen muß.

Die Rückkehr zur Stände­gesellschaft sollten wir nicht bemäkeln, sondern als Chance begreifen.

David Betkes Berufswahl dürfte jenen, deren Vorstellungen vom Erwerbsleben in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts geprägt wurden, als anachronistisch vorkommen. In Wahrheit ist er ein Trendsetter. Mit der „Industrie 4.0“ werden zahllose Beschäftigte ihre Arbeitsplätze in Produktion und Verwaltung verlieren. Sie sind aber nicht zum Nichtstun mit bedingungslosem Grundeinkommen verdammt. Die Reichen von heute sind immer weniger in der Lage, ihren Lebensalltag ohne die Unterstützung von Dienstboten zu bewältigen. Große Liegenschaften, Zweit- und Drittwohnsitze, gesellschaftliche Verpflichtungen, Familie, Hobbys, Reisen und die immer komplizierteren Bemühungen, das Vermögen zu wahren und zu mehren: Um all dies unter einen Hut zu bekommen, benötigen sie Personal, das ihnen den Rücken freihält.

Diese Rückkehr zur Ständegesellschaft sollten wir nicht bemäkeln, sondern als Chance begreifen. Der Feudalismus zeichnete sich durch eine menschliche, ja familiäre Nähe zwischen Herr und Knecht aus, die der auf bloße Zweckmäßigkeit ausgerichtete Kapitalismus nicht bieten konnte. Die Zeit für eine Humanisierung der Arbeitswelt scheint endlich gekommen.