© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Ländersache
Abschied von Arndt
Christian Vollradt

Aus der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald wird die Universität Greifswald. Am Mittwoch vergangener Woche entschied der Senat der Hochschule mit Zweidrittelmehrheit, den Beinamen zu tilgen. 

Der Namenspatron, 1769 in Vorpommern auf der Insel Rügen geboren, hatte als Dichter, Professor und Publizist zu den Vorkämpfern für die deutsche Einheit, gegen die Leibeigenschaft sowie für demokratische Mitbestimmung gezählt und war 1848 Mitglied des Frankfurter Paulskirchenparlaments. Weil Arndt sich aber im antinapoleonischen Furor häßlich über die Franzosen geäußert hatte, wurde schon seit Jahren gegen den „aggressiven Nationalisten“ und „Fremdenfeind“ gewettert. Der – zudem von Hermann Göring 1933 verliehene und in der SED-Dikatur beibehaltene – Namenszusatz könne, so die Kritiker, potentielle Studenten aus dem Ausland abschrecken, die Anwerbung internationaler Wissenschaftler sowie die Vermarktung der Traditionsuniversität als „Ort einer fortschrittlichen Wissenschaft“ erschweren.

Doch es gibt auch Kritik an der geschichtsvergessenen Art des Umgangs mit Arndt. „Der Vorwurf, daß Arndt nationalistisch gewesen sei, beruht auf heutiger Denkungsart, monierte bereits im Vorfeld der Abstimmung der Romanist Reinhard Bach. „Mit politischen Begriffen ohne Rücksicht auf ideengeschichtliche Entwicklungen über Jahrhunderte hinwegzuspringen, ist das Ende jeder seriösen Geschichtsschreibung“, kritisierte der Professor gegenüber der Ostseezeitung. „Nationales Denken im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts ist vor allem Ausdruck einer Demokratisierung des politischen Denkens“, so der Romanist. „Die dringend gebotene Überwindung feudaler Strukturen war angesichts der deutschen Kleinstaaterei nicht ohne die Bildung eines Nationalstaats möglich.“  

Die AfD im Schweriner Landtag kritisierte die Namensstreichung als „ein verheerendes Signal“. „Die Namensänderung wird die Universität geschätzt etwa 300.000 Euro kosten. Dabei fehlt es schon jetzt an allen Ecken und Enden“, gab der hochschulpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Ralph Weber, zu bedenken. Die ohnehin schon angespannte finanzielle Lage der Universität würde sich durch die Namensänderung „noch weiter verschlechtern“. Universitätskanzler Wolfgang Flieger versprach dagegen, die Sache möglichst kostenneutral zu gestalten. Bereits 2010 hatte es nach langen Diskussionen eine Abstimmung über den Beinamen gegeben. Damals stimmten 22 Senatoren für seine Beibehaltung, nur 14 dagegen. Doch junge-freiheit-Chefredakteur Dieter Stein (JF 4/10) sah in seinem Kommentar bereits voraus, daß das damalige Ergebnis wohl nicht das endgültige sein werde: „Man wird wahrscheinlich den volkspädagogischen Eifer verdoppeln, notfalls die Sache wie bei der irischen Volksabstimmung über den Lissabonvertrag so lange wiederholen, bis das Ergebnis paßt.“ Der Zeitpunkt ist nun offensichtlich erreicht. 

Wie der – nun verbannte – Arndt wohl die Vorgänge kommentiert hätte? Vielleicht mit einem Vers aus seinem „Gebet an die Liebe“: „Gerne will ich alles leiden, / Deine Schmerzen, deine Freuden.“