© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

„Es reicht jetzt“
Spanien: Im Kampf zwischen Madrid und Barcelona droht die Polizei zwischen den Mühlsteinen der Politik zerrieben zu werden
Michael Ludwig

Die Auseinandersetzungen in der spanischen Innenpolitik über die Loslösung Kataloniens vom spanischen Mutterland greifen auf die Polizei über – in der vergangenen Woche sind rund 1.500 katalanische Polizisten in Barcelona auf die Straße gegangen, um gegen die „Politisierung ihrer Arbeit“ zu protestieren. Die Wut der Ordnungshüter richtet sich gegen die Vertreter der linksanarchistischen CUP-Partei, die immer wieder versucht, Einfluß auf ihre Arbeit zu nehmen.

Die Mossos d’Esquadra, wie die Regionalpolizei genannt wird, sowie Lokalpolizisten aus dem Nordosten des Landes marschierten ganz in Schwarz gekleidet durch die Innenstadt der katalanischen Metropole. Auf einem Spruchband führten sie die Losung mit sich: „Alle gemeinsam für die Würde, den Respekt und die Sicherheit. Wir dienen den Bürgern und schützen sie. Es reicht jetzt!“ Mit einem Sarg trugen sie symbolisch die „polizeiliche Würde“ zu Grabe. Wieviel Unmut sich bei den Mossos und den Lokalpolizisten inzwischen aufgestaut hat, zeigte sich, als sie vor dem Rathaus und dem Sitz der Regionalregierung ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert anstimmten.

Sorgenvolle Blicke auf das nächste Referendum 

Die Spannungen zwischen Mossos und der CUP, die zu den radikalen Unabhängigkeitsbefürwortern Kataloniens zählt, wurden durch die Festnahme von Parteimitgliedern und Sympathisanten ausgelöst, die Bilder von König Felipe VI. öffentlich verbrannt hatten. 

Bei Delikten, die sich gegen die Krone richten, ist nach wie vor Madrid zuständig, das auf dem Amtsweg die Mossos gebeten hatte, zu ermitteln und gegen die Gesetzesübertreter vorzugehen. Dies wiederum wollte die CUP-Führung nicht akzeptieren. Sie setzte alle Hebel in Bewegung, um ihre Anhänger aus der Schußlinie zu ziehen.

Da die katalanische Regionalregierung auf parlamentarische Unterstützung der zehn CUP-Abgeordneten angewiesen ist, um über eine Mehrheit zu verfügen, befindet sich Ministerpräsident Carles Puigdemont in keiner sehr angenehmen Lage. Noch hält er an seinem Staatssekretär für innere Angelegenheiten, Jordi Jané, fest, dessen Kopf die CUP bereits gefordert hat. 

In Anbetracht dieser Gemengelage haben die Mossos unmißverständlich erklärt, daß sie nicht zwischen den Mühlsteinen der Politik zerrieben werden wollen. „Wir sind eine Polizei, die auch für die Justiz arbeitet, selbst wenn sie in Madrid sitzt. Wenn man das nicht will, muß man das Gesetz ändern“, erklärte einer ihrer Sprecher.

Die Demonstration war auch eine Solidaritätskundgebung für die übrigen Polizeiorganisationen des Landes. Auf dem mitgeführten Sarg lagen nicht nur Kopfbedeckungen der Mossos und der katalanischen Lokalpolizei, sondern auch der Policia Nacional und der Guardia Civil. Vor allem die Belagerung der Guardia-Civil-Wache in Manresa durch rund 100 fanatische CUP-Anhänger Mitte Dezember hatte bei den Mossos Empörung ausgelöst.

Mit Sorge blickt man nun auf ein mögliches Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens (JF 4/17), das für September angekündigt ist und vom spanischen Verfassungsgericht für illegal erklärt wurde.