© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Grüße aus Kapstadt
Glück gehabt
Yorck Tomkyle

In dieser dunklen Jahreszeit erzählten sich unsere Vorfahren mangels anderer Kurzweil allabendlich Geschichten am Kamin. Knüpfen wir also an diese gute Tradition an!

Es mag zwanzig Jahre her sein, ich arbeitete in einem Krankenhaus bei Kapstadt, da traf ich abends in einer Bar Mike. Seines Zeichens Meeresbiologe, hatte er Kontakte zu allen möglichen Menschen, die sich mit afrikanischer Flora und Fauna beschäftigten. Er war gerade auf dem Sprung zu einer großen Tierzählung, die sein Kumpel Andrew, der Chief Ranger vom Hluhluwe-Umfolozi-Nationalpark, durchführen wollte.

Er lud mich ein, ihn zu begleiten. Ein paar Tage später lief ich mit einem bewaffneten Zulu an meiner Seite durch den Busch und registrierte, damals noch ohne elektronische Hilfsmittel, jedes Tier, was mir über den Weg lief. 

Mein Zulu-Begleiter hatte derweil vor Schreck Fersengeld gegeben.

Ich fühlte mich also recht sicher – zumindest bis zu dem Moment, an dem wir einem Nilpferd begegneten, welches wohl genauso erschrocken war wie wir und mit einem großen Platsch im Fluß verschwand. Mein Begleiter hatte derweil Fersengeld gegeben. Später, bei der Begegnung mit zwei Breitmaulnashörnern, denen wir uns bis auf etwa zwanzig Metern näherten, vertraute ich dennoch darauf, daß diese Tiere, wie er mir zuraunte, nicht so gut sehen könnten. 

Abends campierten wir in einem Blockhaus am Ufer eines ausgetrockneten Flusses. Er schärfte mir ein, daß ich mich keinesfalls ohne Waffe aus dem Umkreis der Hütte entfernen dürfe. Ich schlug seine Warnung in den Wind, als ich in der Ferne eine Büffelherde im Flußbett auftauchen sah. Ich wollte unbedingt ein Foto machen und kletterte der Perspektive wegen ins Flußbett hinab. Flugs entdeckte mich der Leitbulle und brüllte in einer Lautstärke, die mich zum sofortigen Rückzug zwang. 

Kurz darauf, ich hatte mich hinter einem Dornbusch versteckt, um die Herde weiter zu beobachten, schossen plötzlich drei Schatten aus dem Schilfgürtel neben mir heraus – Löwinnen. Atemlos sah ich zu, wie die Herde auseinanderstob und schließlich ein Jungtier gerissen wurde.

Während ich später in meinem Schlafsack dem Knacken zerberstender Knochen und dem Geheul der Hyänen lauschte, die auf ihren Anteil warteten, wurde mir klar, daß die Löwinnen mir sehr nah gewesen waren, als ich an ihnen vorbeigeklettert war. Glück gehabt. Am nächsten Morgen waren sie fort – ihre Spuren führten direkt an unserer Hütte vorbei in den Busch.