© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Der Krieg muß erst mal gewonnen werden
Großbritannien: Die Mehrzahl der Briten steht hinter Theresa Mays Brexit-Plänen / Kritiker sehen dennoch Hoffnung
Josef Hämmerling

Der Brexit nimmt Fahrt auf. In einer vielbeachteten Rede hat die britische Premierministerin Theresa May vergangene Woche die  Ausstiegspläne Großbritanniens aus der EU bekanntgegeben. Dabei änderte sie ihre Wortwahl vom „Hard Brexit“ in einen „Clean Brexit“. In der Sache blieb May aber standhaft. Man wolle einen „richtigen“ Ausstieg aus der EU, keinen halbherzigen mit irgendwelchen Assoziierungsabkommen. Vor allem wolle man auch nicht mehr an die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofes gebunden sein. Die konservative Politikerin zeigte sich überzeugt, daß der EU-Austritt für Großbritannien ungeachtet aller Kritik europäischer Spitzenpolitiker und auch der Labour-Oppositionspartei vorteilhaft werde. Das letzte Wort soll aber das britische Parlament haben. Das entschied am Dienstag auch das höchste britische Gericht. Der Vorsitzende Richter, David Neuberger, betonte, das Urteil stelle das Referendum zum Brexit selbst jedoch nicht in Frage.

May kündigte zuvor an, beide Kammern des britischen Parlaments über die Rahmenbedingungen eines EU-Austritts abstimmen zu lassen. Zwar haben die Konservativen dort die Mehrheit, doch müsse der Deal schon attraktiv sein, mahnte Athanasios Vamvakidis vom Investmenthaus Merrill Lynch gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.

In Großbritannien ist die Zustimmung für Mays Kurs groß. Einer YouGov-Umfrage zufolge unterstützen 39 Prozent der britischen Bevölkerung ihre Pläne. 15 Prozent fordern, Großbritannien solle einige Immigrationsregeln an die EU abgeben, um so bestmögliche Handelsbedingungen zu erhalten. Zehn Prozent sprachen sich für eine größtmögliche Bindung an die EU aus, während 23 Prozent sagen, ihr Land solle in der Europäischen Union verbleiben. 

Nachholbedarf sehen die Briten aber bei den Brexit-Bemühungen. 25 Prozent der Befragten sind der Meinung, May mache einen „guten Job“ oder „sehr guten Job“. Dagegen sagen 30 Prozent, sie mache einen „schlechten“ oder gar „sehr schlechten Job“. 27 Prozent sehen ihre Arbeit mittelmäßig, während 18 Prozent angaben, keine Meinung zu haben.

Drei Kriterien sind für die Briten aber besonders wichtig und sollten unbedingt erhalten bleiben: So sprachen sich 85 Prozent der Befragten dafür aus, daß die Geheimdienste Großbritanniens und der EU-Länder auch weiterhin sehr eng zusammenarbeiten sollen. 77 Prozent wollen die Rechte der im Vereinigten Königreich lebenden EU-Bürger auch weiterhin gesichert sehen. Dicht gefolgt von 74 Prozent, die fordern, daß Großbritannien die volle Kontrolle über die Einwanderungspolitik hat und sich nicht an EU-Regeln halten muß. 72 Prozent der Briten wollen darüber hinaus die offene Grenze zu Irland auch weiterhin gesichert sehen. Als weniger wichtig wird mit 57 Prozent der Gemeinsame Markt und mit 56 Prozent die Zollunion gesehen.

Zur insgesamt positiven Grundstimmung der Briten hat auch beigetragen, daß nach Angaben des Statistikamtes ONS die britische Wirtschaft im dritten Quartal stärker als erwartet gewachsen ist. So stieg das Bruttoinlandsprodukt um 0,6 Prozent. Experten hatten nur mit 0,5 Prozent gerechnet. Gestützt wurde das Wachstum vor allem durch den privaten Konsum und den Dienstleistungssektor. Belastend wirkten sich dagegen der Außenhandel und die etwas schwächere Investitionsbereitschaft der Unternehmen aus. 

Im Jahresvergleich ergibt sich eine Steigerung der Wirtschaftsleistung um 2,2 Prozent, der stärkste Anstieg seit dem zweiten Quartal 2015. Besonders stark stieg auch der wichtige Einkaufsmanagerindex (PMI) für das Verarbeitende Gewerbe, der im Dezember auf 56,1 kletterte, nach noch 53,6 Prozent im November.

Trotz dieser deutlich besser als erwartet ausgefallenen Wirtschaftszahlen hält die Kritik am geplanten EU-Austritt seitens der Opposition aber an. So bewertete der Oppositionsführer der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, die Rede Mays gegenüber BBC als „implizierte Drohung“. 

Sollte Mays optimistische Hoffnung auf einen guten Deal sich nicht verwirklichen, werde Großbritannien sich „in ein Steuerparadies für Unternehmen und eine Ramschwirtschaft am Rand Europas verwandeln“. Mit all den negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Arbeitsplätze. 

Kein Austritt ohne Befragung der Schotten

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon bezeichnete die Absichten Mays als „wirtschaftliche Katastrophe“.Da Schottland während der Abstimmung über den Brexit nicht für diesen Kurs gestimmt habe, dürfe die Regierung Schottland ohne die Zustimmung des schottischen Volkes nicht aus der EU reißen. Gleichzeitig will sie an einem neuen Austrittsreferendum festhalten.

Unterstützung bekommt May dagegen von der Ukip. Ihr Chef Paul Nuttall warnte das House of Lords, die von May vorgesehene Abstimmung über die EU-Rahmenbedingungen mit einer Ablehnung zu mißbrauchen, um einen Brexit doch noch zu verhindern. Er ist sich sicher, „daß der Krieg gewonnen wird“.