© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Handfeste Gründe für die wachsende Elitenfeindlichkeit
Der Lack ist ab
Jörg Fischer

AfD, „Lügenpresse“-Rufe, Brexit oder Donald Trump – panische Etablierte erklären diese Phänome mit „Elitenfeindlichkeit“. Doch auch bei den Wirtschaftslenkern ist der Lack ab, angesichts der Milliardenvernichtung bei der Deutschen Bank oder bei VW. Die USA sind dennoch mit 114 Milliarden Euro der wichtigste deutsche Absatzmarkt, aber Industrieverbandschef Dieter Kempf ist nicht etwa in Alarmstimmung im BDI-Büro in Washington, sondern liest Trump via ARD die Leviten: „Wer im 21. Jahrhundert ‘Buy american, hire american’ propagiert, hat die globalisierte Wirtschaft nicht verstanden.“

Dabei beschränkt sich die Amerikaerfahrung des 64jährigen im Prinzip auf die Bilanzkontrolle von McDonald’s-Deutschland – in den Achtigern als Diplomkaufmann beim deutschen Ableger von Arthur Young. Wenn die BDI-Mitgliedsfirmen demnächst Umsatzrückgänge im US-Geschäft erleiden, werden sie die Wahl ihres gutbezahlten Cheflobbyisten sicher noch einmal hinterfragen.

Auch überforderte Politiker, die mit Steuergeld externen Sachverstand einkaufen müssen, sollten sich nicht blenden lassen. Sebastian Muschter wurde 2016 für ein Jahr Chef des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso). Der McKinsey-Berater für den „Public Sector“ sollte Merkels Asylchaos entschärfen – mit überschaubarem Erfolg. Wie es besser liefe, erklärte er nun im Capital-Interview: „Wir brauchen für jeden Flüchtling eine Intergrationsvereinbarung“ sowie „einen Lotsen, der ihm sagt, was wie geht und was realistisch ist“.

Was das kostet, rechnete der promovierte Wirtschaftsinformatiker nicht vor. Die McKinsey-Leute seien ohnehin „Weltverbesserer“, die ihren „Job nicht nicht wegen des Geldes“ machten, sondern „weil sie etwas verändern wollen“. Dagegen schwärmte der inzwischen freie Berater und Autor von der „Jahrhundertchance“ und drei- bis vierjährigen Flüchtlingskindern, die nach wenigen Monaten nicht mehr zu unterscheiden seien von Kindern, die hier geboren und aufgewachsen sind. Er sei daher optimistisch: „Wenn in 25 Jahren eins dieser Flüchtlingskinder ein Steve Jobs ist – er war der Sohn eines syrischen Einwanderers in Amerika – und ein Apple gründet, reicht das schon, um die gesamte Flüchtlingsthematik zu bezahlen.“

Daß dessen Vater aus einer Millionärsfamilie kam, seine deutschstämmige Mutter ihren Sohn zur Adoption freigab und Jobs in einer Mittelstandsfamilie aufwuchs – geschenkt. Wie die dreistelligen Milliardengewinne aus Muschters Apple 2.0 zum Steuerzahler zurückfließen sollen, bleibt sein Geheimnis. Dafür klagte er, daß die Direktorin der Stadtsparkasse Bad Honnef 240.000 Euro verdiene, „das 2,5fache vom Lageso-Chef“. Ja, vielleicht hätte Angela Merkels freundliches Gesicht im Herbst 2015 anders ausgesehen, wenn die Kanzlerin nicht nur halb soviel wie der Sparkassenchef von Neuss verdienen würde – denn sie trage letztlich „die Last der gesamten westlichen Welt“.