© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

In den Weiten des Weltalls
Reisegepäck von Astronauten: Bilder, Grafiken, Skulpturen und Mosaiken auf dem Mond
Wolfgang Kaufmann

Als am 3. Oktober 1942 eine deutsche A4-Rakete – von den Nationalsozialisten auch V2 genannt – 84 Kilometer in die Höhe stieg, erreichte sie als erstes von Menschenhand geschaffenes Objekt die Grenze des Weltalls. Zu jenem Zeitpunkt hätten es sich die Konstrukteure des Fluggeräts, die dann ab Kriegsende am US-amerikanischen Raumfahrtprogramm mitwirkten, wohl kaum träumen lassen, daß nur 27 Jahre später Kunstwerke auf dem Mond zu besichtigen sein würden. Allerdings nur in Form von sechs eigens hierfür produzierten Miniaturgrafiken von namhaften Pop-Art-Avantgardisten wie Andy Warhol und Claes Oldenburg.

Deren Schöpfungen zierten die Oberfläche einer daumennagelgroßen Keramikkachel am Landebein der Mondfähre „Intrepid“. Nach dem Aufsetzen dieses Lunarmoduls im Oceanus Procellarum während der „Apollo 12“-Mission konnten die Astronauten Charles Conrad und Alan Bean die „Ausstellung“ am 19. November 1969 eröffnen. Initiator des Ganzen war der Objektkünstler Forrest Myers, welcher letztlich ohne offizielle Genehmigung der Nasa agierte, aber trotzdem einen Ingenieur fand, der die Kachel an dem futuristisch anmutenden Fahrzeug montierte. Schließlich hatte die Weltraumbehörde das Vorhaben auch nicht ausdrücklich untersagt.

Gedenkplatte für verstorbene Raumfahrer

Das galt gleichermaßen für das nächste Kunstprojekt auf dem Mond im Rahmen der Landung von „Apollo 15“ am 30. Juli 1971. Nunmehr führte die Fähre „Falcon“ eine 8,5 Zentimeter große Aluminiumskulptur des belgischen Allroundtalents Paul Van Hoeydonck mit. Das „Fallen Astronaut“ genannte Figürchen wurde von David Scott und James Irwin am Rande der Hadley-Rille in den Mond-Apenninen plaziert und sollte an jene 14 sowjetischen beziehungsweise amerikanischen Raumfahrer erinnern, die bis 1971 beim Training oder gescheiterten realen Missionen ums Leben gekommen waren – deshalb auch die zusätzlich niedergelegte Gedenkplatte mit den Namen der Betreffenden.

Nachfolgend kam es dann freilich sehr zum Mißfallen der Nasa zu einer wenig pietätvollen Vermarktung von Kopien der Statuette. Ihren Job verloren Scott und Irwin jedoch nicht deshalb, sondern wegen der sogenannten „Briefmarkenaffäre“: Auf Initiative des deutschen Philatelisten Hermann Walter Sieger hatten sie heimlich mehrere hundert frankierte Sonderumschläge mit auf die Reise zum Mond und zurück genommen, wofür 7.000 Dollar „Extrahonorar“ pro Astronaut flossen.

Während der Ära der Space Shuttles fanden ebenfalls mehrere Kunstwerke den Weg ins All. Die diesbezügliche Premiere datiert auf den Oktober 1984. Damals transportierte der Raumgleiter „Challenger“ unter anderem die kugelförmige Plastik „S.P.A.C.E.“ von Joseph McShane in die Erdumlaufbahn und setzte sie dort dem kosmischen Vakuum aus. Dem folgte im Januar 1986 ein weiteres innovatives Experiment an Bord der „Columbia“: In deren Laderaum lagerten unter anderem Spezialcontainer mit vier Ölgemälden von Ellery Kurtz – Ziel war nun die Erforschung der Auswirkungen der Bedingungen des Weltalls auf das Material der Bilder. Sie überstanden die 98 Erdumkreisungen tatsächlich vollkommen unbeschadet.

1989 wiederum trat dann Lowry Burgess’ Installation „Boundless Cubic Lunar Aperture“ die Reise mit der „Discovery“ an, gefolgt von den Pergament-Kunstblättern des selbsternannten Düsseldorfer „ARTronauten“ Charles Paul Wilp, die vier Jahre darauf während der zweiten deutschen Spacelab-Mission mit der später abgestürzten „Columbia“ in den Orbit gelangten.

Ebenfalls kunstsinnig zeigte sich die russische Weltraumagentur Roskosmos. Sie ermöglichte dem Amerikaner Arthur Woods im Mai 1993, seine 100.000 Dollar teure lindgrüne Skulptur „Cosmic Dancer“ zur „Mir“-Station zu schicken, wo sie bis zu deren Verglühen im März 2001 verblieb. Woods war zudem einer der Väter von „Ars ad Astra“. In Realisierung dieses Projekts brachte der deutsche Esa-Astronaut Thomas Reiter am 5. September 1995 zwanzig Bilder verschiedener Künstler von Alessandro Bartolozzi bis Amy Zofko im „Handgepäck“ zur „Mir“, wo sie mehrere Monate aushingen – bis die Raumfahrer Elisabeth Carroll Smiths „When Dreams are Born“ zu ihrem Lieblingswerk kürten.

Kunst-Chip auf dem Weg zum Asteroiden Bennu

Und auch die internationale Forschungsstation ISS blieb kein nüchterner, kunstfreier Raum. Davon zeugen beispielsweise die Skulptur „Prisma“ von Pierre Comte – Mitbringsel der französischen ISS-Besucherin Claudie Haigneré aus dem Jahre 2001 – sowie die „Space Invaders“ der italienischen Langzeitflug-Rekordhalterin Samantha Christoforetti. Diese kleinen Mosaik-Aliens nach dem Vorbild der Figuren eines alten Videospiel-Klassikers zieren die Station seit Ende 2014.

Ein weiteres Produkt des künstlerischen Schaffens von Menschen gelangte sogar über die Erd- beziehungsweise Mondumlaufbahn hinaus und erreichte den Mars. Allerdings geriet die Esa-Sonde „Beagle 2“, welche das handtellergroße Bild „Spot Paintings“ des ebenso umstrittenen wie hochbezahlten britischen „Young Artist“ Damien Hirst mitführte, bei der Landung am 25. Dezember 2003 außer Kontrolle. Deshalb ist unklar, in welchem Zustand sich das Kleinkunstwerk auf dem Roten Planeten seitdem befindet.

Noch tiefer in die Weiten des Alls wird die im September 2016 gestartete Sonde „OSIRIS-REx“ vordringen; ihr Ziel ist der Asteroid Bennu, der im 22. Jahrhundert mit der Erde kollidieren könnte. Im Inneren des zwei Tonnen schweren Raumflugkörpers befindet sich unter anderem ein Chip, auf dem die Nasa unzählige Gemälde, Fotos und Zeichnungen von Weltraum-Enthusiasten gespeichert hat.

Die Landung auf Bennu ist für Juli 2020 vorgesehen. Im gleichen Jahr wollen einige Visionäre das ehrgeizigste Kunstvorhaben angehen, das jemals außerhalb der schützenden Erdatmosphäre realisiert wurde, nämlich die „MOONomenta“ – die erste Groß-Ausstellung auf dem Mond! Die potentiellen Mitwirkenden sind dabei aufgefordert, möglichst kontrastreiche Grafiken einzureichen, welche auf einer 25 mal 400 Meter messenden Mylar-Folie Platz finden sollen. Diese müßte dann von Astronauten auf dem Mondboden ausgebreitet werden, wonach das Ganze auch von der Erde aus sichtbar wäre. Durch große High-Tech-Teleskope, versteht sich …