© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

Ländersache
Pumpak geht um
Paul Leonhard

Die Bürger von Rietschen in der Oberlausitz haben Post vom Landratsamt erhalten. Darin werden die 1.500 Haushalte aufgefordert, keine Speisereste mehr auf Komposthaufen zu entsorgen. Der Grund: Pumpak geht um. So haben die Anwohner einen Wolf getauft, der seit Wochen im deutsch-polnischen Grenzgebiet für Unruhe und bundesweit für einen neuen Schlagabtausch zwischen Wolfsbefürwortern und Wolfsgegnern sorgt. Denn Pumpak, was auf sorbisch „Schmerbauch“ bedeutet und auf das pummelige Aussehen des zweijährigen Rüden verweist, soll abgeschossen werden. Er gilt dem sächsischen Landesumweltministerium als verhaltensauffällig, weil er durch die Dörfer streift und keine Angst vor Menschen hat. Mit dem waidgerechten Abschuß des Tiers durch einen Jäger soll „die Gefahr einer weiteren Eskalation“ vermieden werden, teilte Ministerium mit: „Die Sicherheit von Menschen hat Vorrang vor dem Artenschutz.“

Während die meisten Anwohner und Tierbesitzer froh über diese Entscheidung sind, befürchten Tierschützer, daß der Abschuß von Pumpak der Auftakt ist, um den Wolf in seinem Schutzstatus herabzustufen. „Wolf Pumpak muß weiterleben“ ist eine Online-Petition überschrieben, die bereits von 21.000 Menschen unterschrieben wurde. Auch Naturschutzverbände wie IFAW, Nabu, WWF und die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe haben gegen die Abschuß-Entscheidung protestiert. Es gebe keinen Hinweis dafür, daß durch den Wolfsrüden eine akute Gefahr für den Menschen ausgehe. „Wir können nicht ausschließen, daß der Wolf früher oder später auf Menschen trifft, die sich vielleicht nicht so zurückhaltend verhalten, wie er das gewohnt ist – Kinder etwa“, hält Frank Meyer vom sächsischen Landwirtschaftsministerium entgegen. Fest stehe, daß Pumpak auf Grundstücke komme und nach Futter suche. Grund sei wohl, daß das aus dem polnischen Ruszow-Rudel stammende Tier als Welpe von Menschen angefüttert wurde. Ein Fehlverhalten des Menschen, meint Ilka Reinhardt vom Lupus-Institut für Wolfsmonitoring. Normalerweise würden sich Wildtiere nicht für Menschen interessieren.

2016 wurden in Brandenburg 128 Nutztiere vom Wolf gerissen, in Sachsen waren es 253: Schafe, Kälber, Ziegen, eingegattertes Damwild und sogar drei Rinder. Erst unlängst hat ein Wolfsrudel im Landkreis Bautzen mehr als 150 Schafe und Ziegen gerissen, und ein Schäfer hat trotz Schutzzäunen bei mehreren Angriffen 40 Tiere verloren. Der Freistaat zahlte seit 2002 rund 112.000 Euro Schadenersatz und weitere 850.000 Euro für die Herdenschutzförderung.

Viel Geld für ein politisch gewolltes Problem. 150 Jahre galt der Wolf in Sachsen als ausgestorben. Erst vor 20 Jahren wanderten die ersten Wölfe aus Polen in die Oberlausitz ein. Inzwischen leben 46 Rudel, 15 Paare und vier seßhafte Einzeltiere hauptsächlich in Brandenburg (22), Sachsen (15), Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. „Die Rückkehr des Wolfes ist eine Erfolgsgeschichte“, findet Christiane Schröder vom Naturschutzbund Brandenburg. Ganz anderer Meinung sind Schäfer, Landwirte und Jäger. Vor kurzem protestierten 200 von ihnen gegen die Wolfspolitik. Sie präsentieren Fotos von Nutztieren mit aufgerissenen Bäuchen und herausquellendem Gedärm. Den Wolfsbefürwortern gelten sie als „rechter Mob aus Sachsen“.