© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

„Das sind unsere Leute, halt die Schnauze!“
Kriminalität: In Bremen beanspruchen kurdische PKK-Anhänger mit Gewalt und Einschüchterung die Herrschaft über einzelne Gebiete
Martina Meckelein

Odai K. wurde nur 15 Jahre alt. Der syrische Flüchtling starb, nachdem er am 1. Januar 2017 auf offener Straße in Bremen zusammengetreten wurde. „Die Tat hätte verhindert werden können, wenn die Behörden schon vor zweieinhalb Jahren in einem anderen Fall schneller ermittelt hätten“, sagt Jan Timke, Bremer Landtagsabgeordneter der Wählervereinigung „Bürger in Wut“, der JUNGEN FREIHEIT. Kapitulieren die Ermittlungsbehörden vor einem Krieg zwischen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und moslemischen Gläubigen auf deutschem Boden?

Rückblick: 1. Januar 2017, 0.20 Uhr: Odai K. feiert mit einem Freund vor dem Haus seiner Eltern auf der Straße Lüssumer Heide. Plötzlich werden sie von mehreren Männern mit Böllern beworfen. Die Männer schlagen und treten Odai K. zusammen. Dann verschwinden sie. Odai K. kommt in die Klinik.

„Die haben blanke Angst     vor dieser Familie“

„Erst sechs Tage nach der Tat und erst nachdem der Fall von Odais Eltern selbst über das Internet bekannt gemacht worden war, veröffentlichte die Bremer Polizei am 6. Januar in einem Pressebericht die Tat“, sagt Timke. Die Polizei begründet ihr Vorgehen: „Um die kriminalpolizeilichen Ermittlungen im Umfeld der betroffenen Personen nicht zu gefährden, wurde bisher auf Pressearbeit verzichtet.“ Odai K. stirbt einen Tag später.

Drei mutmaßliche Täter, darunter zwei kurdische Brüder mit türkischem Paß (25 und 35 Jahre alt), sitzen seit dem 10. Januar in Untersuchungshaft; zwei Tage später wird auch ihr Neffe (15) festgenommen. Schnell werden Vermutungen laut, daß es einen Zusammenhang zu einem anderen – versuchten – Tötungsdelikt geben könnte.

„Einer der Schläger, der Odai getötet hat, hat auch mich zusammengeschlagen“, sagt Haci M. (Name von der Redaktion geändert) der jungen freiheit. Der selbständige Gartenbauer, der in Deutschland geboren wurde und hier Abitur gemacht hat, erinnert sich: „Es war am 10. August 2014 in Bremen um drei Uhr morgens. Ich war vom Imam gebeten worden, mich mit einem Vertreter der kurdischen Jesiden zu treffen. Ich sollte Vermittler zwischen ihnen und gläubigen Muslimen sein.“

Seit Jahren ist der Norden der Hansestadt aufgeteilt in PKK-Gebiet und moslemisches Gebiet. „Immer wieder gibt es dort Kämpfe zwischen den Parteien“, erklärt Jan Timke die spezielle Situation im Bremer Norden. „Es geht um Politik, um Glauben, aber auch um Gebietsstreitigkeiten verfeindeter krimineller Familienclans.“

Der Vermittler Haci M. steht mit dem Mann an der Ecke Meyerstraße, als ein schwarzer BMW und ein silberner Golf neben ihnen stoppen. „Rund zehn Männer sprangen heraus, bewaffnet mit Macheten, Äxten, einer Pistole und Eisenstangen. Mein Gesprächspartner schrie mir noch zu: ‘Junge, lauf weg!’, aber ich blieb stehen.“ Einer der Täter schießt mit der Pistole in die Luft. Ein andere schlägt mit der Axt mehrmals auf den Schädel des Opfers ein, einer bricht ihm den Arm. Die Schläger türmen. Haci M. überlebt. „Noch während ich in der Klinik lag, boten mir Muslime Unterstützung an. Das habe ich abgelehnt. Wir leben in Deutschland, hier gibt es dafür die Polizei. Deshalb habe ich das Kennzeichen des BMW, den Namen des mutmaßlichen Schützen, Fotos und Hinweise zu den Tätern, die ich über Handy von meinen Leuten aus der Moschee bekam, der Polizei gegeben. Ich hatte den Eindruck, die Beamten wollten die Täter wirklich schnappen.“

Als Haci M. aus der Klinik entlassen ist, wird er auf der Straße angesprochen. „‘Das sind unsere Leute, halt die Schnauze’, wurde mir von PKK-Leuten gesagt. Oder, wenn ich weiter aufmucke, kämen 200 Männer. Wieder andere entschuldigen sich, keine oder falsche Aussagen bei der Polizei gemacht zu haben. Die haben die blanke Angst vor dieser Familie und der PKK.“

Der Ortsamtsleiter von Bremen-Blumenthal, Peter Nowak (SPD), bezeichnete die Familie gegenüber dem ZDF als „Verbrecher, die als Verbrecher aufwachsen“. Haci M. hat den Eindruck, die Staatsanwaltschaft strenge sich nicht sehr an, die Täter zu fassen. „Bislang haben wir sechs Beschuldigte“, sagt Staatsanwältin Silke Noltensmeier der jungen freiheit. „Die Ermittlungen sind nicht einfach, weil es viele Zeugen vom Hörensagen gibt. Es stehen noch Gutachten aus. Wir haben zum Beispiel bei einer Wohnungsdurchsuchung nur eine geringe Menge Canabis, aber vermutlich 2,5 Kilo Streckmittel gefunden.“

Jan Timke kann die Dauer der Ermittlungen nicht nachvollziehen: „Deshalb thematisiere ich das auf der nächsten Innenausschußsitzung, und deshalb habe ich dem Senator einen umfangreichen Fragenkatalog zu beiden Fällen geschickt. Die Schläger sind teilweise identisch, haben mindestens Kontakte zur PKK.“ Der Verfassungsschutz hält die PKK übrigens für die schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation in Deutschland, die Personen über den Kreis der Anhängerschaft hinaus mobilisieren kann. In Bremen wird sie von Linksextremisten durch Demonstrationen des „Kurdistan-Solidaritätskomitee Bremen“ und Spendensammlungen unterstützt, so die Antwort des Bremer Innensenators auf eine CDU-Anfrage vom Juli 2016.

Die Eltern des totgetretenen Odai K. und seine beiden Geschwister sollen jetzt auch bedroht werden. Sie haben am vergangenen Dienstag ein Gespräch mit der Polizei geführt.