© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

„Besser wäre ein Volkstribun“
Bundespräsidentenwahl: Albrecht Glaser wirft seinen Hut für die AfD in den Ring
Christian Vollradt

Eine realistische Chance, der nächste Bundespräsident zu werden, hat er nicht. Dennoch ist für Albrecht Glaser, den Kandidaten der AfD für die Gauck-Nachfolge, sein Antreten mehr als nur eine Formalie. „Ich verbinde das mit der Hoffnung, die Starrheit des Systems ein wenig aufzubrechen“, sagt er im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Als Kandidat seiner Partei, so der hessische Landessprecher und Bundes-Vize, möchte er auch für die Vorstellungen werben, die die AfD im Hinblick auf das Amt des Bundespräsidenten hat. „Der sollte mehr ein Volkstribun sein“, ist Glaser überzeugt. Deswegen spreche sich seine Partei ja auch für die Direktwahl des Staatsoberhaupts aus, erläutert er. 

Sein Rüstzeug, sagt Glaser, Jahrgang 1942, sei die langjährige Erfahrung als Kommunalpolitiker: zunächst in Baden-Württemberg, dann in Hessen, unter anderem als Kämmerer von Frankfurt am Main. „In der Kommunalpolitik herrscht die Unmittelbarkeit zum Bürger, das hat mich geprägt.“ Kommunalpolitik sei der „Lackmustest“ für jemanden, der ein öffentliches Amt bekleidet, ist der gebürtige Wormser, der von 1970 bis 2012 CDU-Mitglied war, überzeugt. Darüber, daß sein Name in der Bankenmetropole vor allem mit den Verlusten der sogenannten „Glaser-Fonds“ verbunden wird, kann er nur lachen. „Ich habe den Haushalt saniert, Schulden getilgt und Steuern gesenkt“, hält er entgegen. Die Verluste während der Finanzkrise acht Jahre nach seinem Ausscheiden gingen auf Fehlentscheidungen anderer zurück. 

„Beeindruckendes Zeichen der Solidarität“

Albrecht Glaser sei ein „konservativer Intellektueller mit einem weiten Blick für alle Facetten des menschlichen Lebens“, so hatte ihn Parteisprecherin Frauke Petry bei seiner Nominierung als Präsidentschaftskandidat auf dem Bundesparteitag in Stuttgart im vergangenen Jahr gelobt. Daß sich anschließend alle Anwesenden erhoben hatten, „dieses Zeichen der Solidarität war wirklich beeindruckend“, meint Glaser rückblickend. 

Tatsächlich sollte ursprünglich Brandenburgs Landeschef Alexander Gauland antreten; der hatte jedoch abgewinkt. Aus Altersgründen, so seine offizielle Version. Aber wohl auch, weil ihm klar war, daß er als Ex-CDU-Mann nicht mit Stimmen „abtrünniger“ Unions-Wahlleute in der Bundesversammlung rechnen könnte. Beide Vorbehalte treffen auch auf Glaser zu. Daß ihn Petry vorschlug, versicherte sie seiner unbedingten Loyalität im gespaltenen AfD-Bundesvorstand, unkten seinerzeit Kritiker der forschen Sächsin. 

Glasers Mitgliedsnummer ist zweistellig, er gehört damit zur Gründergeneration der Partei. Glaser war exponierter Gegner des früheren Parteisprechers Bernd Lucke, der ihm innerparteiliche Intrigen vorwarf und ihn zu entmachten suchte. Auch wenn sich die Lage im hessischen Landesverband etwas beruhigt hat, Glasers Verhältnis zum Co-Landessprecher Peter Münch gilt als angespannt. 

?Anerkennung erwarb sich der studierte Verwaltungsjurist bei der Ausarbeitung der Parteisatzung sowie als Chef der Programmkommission. Andererseits verdrehen manche Parteifreunde die Augen, wenn das Gespräch auf Glaser kommt. Dann fallen Einschätzungen wie „maßlos eitel, zu redselig“ oder „übertriebener Geltungsdrang“.?

Am Sonntag also wird Glaser im Plenarsaal des Reichstags eher ein kurzes Gastspiel geben. Das könnte im Herbst ganz anders werden. Denn an Platz fünf auf der hessischen Landesliste der AfD hat Mitglied Nummer 30 gute Chancen, als Abgeordneter in den Bundestag einzuziehen. 





Bundesversammlung

Am Sonntag tritt in Berlin die 16. Bundesversammlung zur Wahl des nächsten Bundespräsidenten zusammen. Ihr gehören 1.260 Mitglieder an. Außer den Abgeordneten des Bundestags sind dies weitere 630 Vertreter, die von den Landtagen bestimmt wurden. Gemeinsamer Kandidat von SPD und CDU/CSU ist Frank-Walter Steinmeier (SPD). Außerdem kandidieren Christoph Butterwegge für die Linkspartei (JF 49/16), Alexander Hold für die Freien Wähler (JF 44/16) sowie Albrecht Glaser für die AfD (siehe oben).