© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

„Inkubationszeit kürzer als die Dauer der Flucht“
Epidemiologie: Das Robert-Koch-Institut rechnet nicht mit mehr exotischen Infektionskrankheiten durch Asylsuchende / Tuberkulose kehrt zurück
Martina Meckelein

Bill Gates ist laut dem US-Magazin Forbes mit einem Vermögen von 85,2 Milliarden Dollar der reichste Mann der Welt. Der 61jährige Microsoft-Gründer ist auch passionierter Großspender, etwa für Hillary Clinton. Mehr Glück ist seinem Engagement bei der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (Cepi) zu wünschen. An Cepi sind neben der Bill and Melinda Gates Foundation unter anderem die Regierungen von Deutschland, Indien, Japan und Norwegen, die EU sowie der Londoner Wellcome Trust beteiligt. Ziel ist die Entwicklung von Impfstoffen (Vakzine) gegen das Chikungunya-, Lassa-, Marburg- und Rifttalfieber, Mers oder Sars sowie das Henipavirus.

Für die Pharmaindustrie ist diese Vakzinforschung unattraktiv, da diese Krankheiten vor allem in den armen Regionen von Afrika oder Asien auftreten. Aber könnte die globale Mobilität diese hochansteckenden und oft tödlichen Krankheiten nicht auch nach Europa bringen? Das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) für Infektionskrankheiten hält diese Gefahr für gering: Zum einen kämen diese Krankheiten in den Hauptherkunftsländern der Asylsuchenden oder auf deren Reiseroute selbst nicht vor. „Zum anderen ist ihre Inkubationszeit (die Zeitspanne zwischen Ansteckung und Erkrankungsbeginn) kürzer als die Dauer der Flucht“, so das RKI. Wie es nach dem Aufbau von Asylzentren in Afrika und der Einreise per Flugzeug oder beim Familiennachzug aussähe, ist eine andere Frage.

Die Migrationswelle hat jedoch hochansteckende Infektionskrankheiten wie die Tuberkulose (TBC) nach Deutschland zurückgebracht. Monatlich veröffentlicht das RKI Zahlen über meldepflichtige Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden. Laut dem Jahresbericht 2016 stünden derzeit impfpräventable Krankheiten und Magen-Darm-Infektionen im Vordergrund. „Erwartungsgemäß werden vor allem aufgrund entsprechender Screening-Programme bei Asylsuchenden vermehrt Tuberkulose- und Hepatitis-B- und -C-Fälle gefunden“, berichtet das RKI weiter.

2015 sind laut RKI 5.875 Menschen in Deutschland neu an Tuberkulose erkrankt, 1.752 von ihnen waren Asylsuchende. Die rasant gestiegene Zahl ist offenbar auf die vielen Flüchtlinge zurückzuführen, die oft aus Tuberkulose-endemischen Gebieten kommen: „So waren 1.255 Flüchtlinge mit Tuberkulose infiziert und dem RKI gemeldet worden“, berichtete im März 2016 das Internetportal „Gesundheitsstadt-berlin.de“. Ein Dreijahresvergleich zeigt den Anstieg: Wurden 2013 dem RKI 4.319 TBC-Neuerkrankungen gemeldet, waren es im Folgejahr 4.488 Fälle. Im Jahr 2015, als Angela Merkel die Grenzen öffnete, stieg die Zahl auf 5.865 Fälle an. Die Neuerkrankungsrate pro 100.000 Einwohner (Inzidenz) stieg von 5,3 (2013) auf 7,3 (2015).

Auch die Syphilis-Neuerkrankungen nehmen zu – von unter 3.000 (2009) auf 6.834 (2015). Doch das ist bislang vor allem ein Metropolenproblem von Berlin, Hamburg, Köln oder München. Und die Anstiege „waren fast ausschließlich auf vermehrte Meldungen von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), zurückzuführen“, heißt es im Epidemiologischen Bulletin (50/16) des RKI. Der Frauenanteil bei Syphilis habe 2015 unverändert zum Vorjahr bei nur 6,2 Prozent gelegen.