© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

Dorn im Auge
Christian Dorn

Politeia reloaded – für den Augenblick verlasse ich mich auf meine sieben Sinne und das Motto „Petry Heil“: Nachdem die AfD-Sprecherin die „Bundeslade“ des Asylrechts aus dem Grundgesetz durch einen Gnadenakt ersetzen will, scheint es überfällig, meinen schon ein Jahr alten Wahlkampf-slogan hiermit öffentlich auszuloben: „Wir schaffen das / Asylrecht ab!“ Schließlich ist Werbe- noch immer besser als Sterbehilfe, und in der politischen Gastronomie kein Ober in Sicht, der eine Grenze anbietet. Die ebenso kindisch wie trotzig agierende CSU spielt in dieser Hinsicht einen echten Fake Blues.


Ganz anders im Café am Nachbartisch. Dort berät eine Israelin im Halbstundentakt in Deutschland gestrandete Flüchtlinge und Immigranten, um ihnen unter Vorlage von deren Papieren – Handleserin und Hohepriesterin zugleich – ihr Schicksal zu verkünden: ob sie ein Bleiberecht haben oder keines. Anders als die Hohepriesterin im Tarot ist sie unberbittlich und schüttelt resolut ihr Haupt, wenn die um ihre Zukunft in Deutschland bangenden Migranten, denen sie gerade eine Absage erteilt hat, dennoch auf ihre Intuition und ihr Herz pochen wollen, welche ihnen eine Zukunft in Deutschland verheißen haben. Im Gegensatz dazu die Freude der Paßleserin, wenn sie einem des Deutschen unkundigen Landsmann den von ihr ausgefüllten Antrag vom Jobcenter überreicht. Nachdem der passend „ausgerechnete“ Fragebogen zur Einkommenssituation zur Unterschrift vorgelegt und unterschrieben wurde, ertönt ein triumphierendes „Schalomie“!


Niedergeschlagen dagegen anderntags die drei politisch korrekten Theaterleute am Nebentisch, die augenscheinlich ein gleichwohl finanziell abgesichertes Leben über die Theaterstiftung „Doppelpaß“ führen. Einer klagt: „Das ist noch schlimmer, so von der Energie her, der Trump unterschreibt da einfach ein Papier nach dem anderen – das macht dich so aggressiv!“ Zur Triebabfuhr wenden sie sich gen Osten. So soll in Putins Reich via Gastspielreise ein Stück über das „Rußland-Ding“, dieses rückständige, autoritätsfixierte Land – sichtbar an dem „Männer- und Frauen-Ding“, dem „Glaubensding“, der „falschen Moral“ – inszeniert werden. Aber, wirft die Frau in der Runde ein, „man müßte schon noch was über das Land wissen – etwa von der Zivilgesellschaft.“ Fraglos müsse man dafür „Forschungsgelder organisieren“. Und überhaupt, so die Frau: „Das sind ja 300.000 Dinge, wie jemand sich so lange halten kann.“ Ich muß mir derweil verkneifen, laut loszulachen.