© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

Orwellsche Aussichten
Wirtschaftskriminalität: Der Entwurf zum neuen Geldwäschegesetz ist ein weiterer Vorstoß zur Bargeldbeschränkung / Kriminalität nur Vorwand?
Dirk Meyer

Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Mehr als dreiviertel aller Käufe und die Hälfte der Umsätze werden bar abgewickelt. Die jederzeit (noch) einsetzbare Liquidität macht flexibel, gibt sofortige Übersicht und Kontrolle der ausgegebenen Euro, sichert die Anonymität des Zahlungsvorganges und erspart drohende Negativzinsen auf Geldkonten. Zudem sind laut Bundesbankgesetz (Artikel 14 Absatz 1) Euro-Banknoten „das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“.

Doch mit den Argumenten Steuerhinterziehung, Drogenhandel, Korruption oder Falschgeld behindern immer mehr staatliche Beschränkungen die praktische Bargeldverwendung. Die EZB hat 2016 die Abschaffung der 500-Euro-Banknote beschlossen. Die US-Notenbank Fed gibt bereits seit 1969 keine Banknoten von über 100 Dollar mehr heraus. Das Bundesfinanzministerium (BMF) überlegt, Bargeldzahlungen in Deutschland auf 5.000 Euro zu begrenzen. Frankreich (1.000 Euro), Italien (3.000 Euro) oder Österreich (de facto 500 Euro bei Bauleistungen) machen es vor (JF 19/16). Weitere Restriktionen gebietet das 1993 eingeführte Geldwäschegesetz (GwG).

Strenge Meldepflicht für Bargeschäfte

Die EU-Richtlinie 2015/849 „zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ wird das mehrmals novellierte GwG erneut verschärfen. Die Umsetzung in deutsches Recht wird in einem BMF-Referentenentwurf vom 15. Dezember 2016 vorbereitet. Die Aufnahme zusätzlicher Regulierungen sowie Übernahmen aus dem Kreditwesengesetz führen zu einer völligen Neufassung des GwG. Bereits der Umfang von 55 gegenüber den derzeit 17 Paragraphen läßt die erweiterten Regulierungsanstrengungen erahnen.

Die offensichtlichste Änderung besteht in einer Absenkung der Meldepflicht für Bargeschäfte. Barzahlungen im Geschäftsverkehr ab 10.000 Euro (bisher 15.000) werden künftig gesondert erfaßt. Der Gebrauchtwagenkauf, die Handwerksrechnung können nur bis zu dieser Höhe in bar ohne Erfassung geleistet werden. Finanzinstitute, Händler und andere Dienstleister müssen besondere „geldwäscherechtliche Sorgfaltspflichten“ erfüllen. Neu hinzugekommen sind Spielbanken, Online-Glücksspielanbieter sowie Spielhallen oder Sportwettenanbieter. Auch Notare, Rechtsanwälte und Immobilienmakler werden gesondert erwähnt. Eine wichtige Änderung besteht in dem erweiterten zu kontrollierenden Personenkreis. Zahlungsdienstleister müssen nicht nur den Auftraggeber erfassen, sondern auch Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten des Transfers machen und diese dem Transfer beifügen. Das soll verhindern, daß sich natürliche Personen hinter sogenannten Briefkastenfirmen verstecken können. Zur Kenntlichmachung der Zahler sollen auch elektronische Identifizierungsverfahren genutzt werden, so daß die Überprüfung anhand von Ausweisdokumenten bei physischer Anwesenheit nicht mehr notwendig ist. Einerseits erleichtert dies den Vorgang, andererseits wird damit die Grundlage für die kostengünstige Ausweitung von Datenerfassungen geliefert.

Während diese Verschärfungen an bereits bestehende Regelungen anknüpfen, kommen strukturelle Erweiterungen hinzu. Hierzu zählt eine Stärkung des risikobasierten Ansatzes des Geldwäscherechts. Bisher war eine Liste vordefinierter Situationen mit geringem oder erhöhtem Geldwäscherisiko ausreichend, nach denen relativ einfach vorzugehen war. Zukünftig muß jede Geschäftsbeziehung und Transaktion individuell auf das jeweilige Risiko in bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hin geprüft werden. Relevante Risikofaktoren werden in den GwG-Anhängen aufgeführt.

Enge Koordination mit europäischen Institutionen

Eine Bewertung wird aber erst nach einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Risikofaktoren möglich, was für die Kreditinstitute und Güterhändler mit erhöhtem Aufwand und dem Risiko einer bußgeldbelegten Fehlentscheidung verknüpft ist. Eindeutig sind nur einige Hochrisikosituationen definiert: länderübergreifender Zahlungsverkehr, Kunden aus „Hochrisikoländern“ sowie „politisch exponierte Personen“ (PePs).

Geplant ist die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen, zentralen elektronischen Transparenzregisters. Hier sollen Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten von juristischen Personen erhoben werden. Es soll als Portal dienen, von dem aus Dokumente aus anderen öffentlich zugänglichen elektronischen Registern abrufbar sein sollen. Außerdem wird die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen neu konzipiert und erweitert.

Sie war bisher polizeilich ausgerichtet und dem Bundeskriminalamt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern angegliedert. Fortan soll sie in die Generalzolldirektion des BMF überführt werden. Hier wird sie Filterfunktionen zur Entlastung der Strafverfolgungsbehörden wahrnehmen und als Informationssammel- sowie Koordinierungsstelle gegenüber anderen zuständigen inländischen Behörden bereitstehen. Hinzu kommt eine Koordination mit europäischen Institutionen, speziell dem Geldwäschekomitee AMLC (Anti-Money Laundering Committee).

Um die Einhaltung der Vorgaben zu gewährleisten, wurden die Sanktionen bei Verstößen verschärft. Konnte bislang ein Bußgeld von höchstens 100.000 Euro erteilt werden, so ist eine Anhebung bis zu einer Million Euro oder das Zweifache des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils – für Kredit- und Finanzinstitute fünf Millionen Euro – geplant. Die wohlgemeinte Gesetzestreue und Terrorismusprävention wird aber 2017 mit einem neuen orwellschen „1984“ erkauft.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.





Geldwäschekriminalität

Im Jahre 2015 führten das Bundes-kriminalamt (BKA) und die entsprechenden Länderbehörden 566 Ermittlungsverfahren im Bereich organisierte Kriminalität (OK). Bei 36,7 Prozent der Verfahren ging es um Rauschgiftkriminalität im großen Stil, gefolgt von Eigentums- (14,8 Prozent) und Wirtschaftskriminalität (11,8 Prozent). Um Geldwäsche ging es lediglich in 2,1 Prozent der OK-Fälle. Im Zuge der OK-Bekämpfung wurden 65 Millionen Euro vorläufig gesichert. Dem gegenüber stünden laut BKA-Bericht verursachte Schäden in Höhe von 424 Millionen Euro und kriminelle Erträge von 230 Millionen Euro. „Durch das geänderte Kommunikationsverhalten haben sich auch die Herausforderungen an die Polizei verändert“, erklärte BKA-Präsident Holger Münch. Seine Behörde entwickele und nutze daher IT-Programme „zur Auswertung von Massendaten, zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation und zur Online-Durchsuchung“.

„Organisierte Kriminalität – Bundeslagebild 2015“ des Bundeskriminalamts (BKA): www.bka.de